Waidmanns Fuck

Waidmanns Fuck
Eine Parabel

Ich sehe mich in meiner dunklen Werkstatt um, so wie ich es nenne. Frauenköpfe hängen an den Wänden, ausgestopft – präpariert. Ich habe ihre Schönheit für die Ewigkeit konserviert, aufgerüstet, vervollständigt. Nun sind sie stumme Zeugen einer Schönheit, die ich einst besessen hatte.


Jedoch ist meine einzige Intention die Perfektion, denn Schönheit allein genügt mir nicht. Ich will mehr! Ich will Fabelwesen von überirdischer Schönheit erschaffen. Schönheit, wie sie ausschließlich in meiner Vorstellung existiert, die aber die Wirklichkeit nicht für mich bereithält. Ich bin ein Künstler, ganz ohne Frage, aber ich bin auch der Jägersmann und ich strecke meine Flinte in die Welt, wenn sie mir juckt. 

Ich bin tagein, tagaus auf der Suche nach Schönheit. Schönheit, die mir vollkommen scheint und so jage ich durch die Wälder, um mir das schönste Wild zu schießen. Ich breche das Viehzeuch auf, schneide mir die besten Stücke heraus, den Rest kann ich hemmungslos verspeisen. Auch meine Freunde haben etwas davon, keine Frage. Ich bin, wenn man so sagen kann, der Künstler, der jeglichen Trieb vollends befriedigen kann. Ich gebe den Menschen etwas zu essen, Ästhetik und, ja, sogar etwas zu ficken. Ich bin der Mann der Tat, der Urvater des Waldes, der Messias vom Dorfe.

Derweilen habe ich recht bescheiden angefangen und allein dem Zufall ist es zu verdanken, dass ich zur Kunst selbst kam, da mein künstlerischer Werdegang wie so oft aus einem tiefen Verlust heraus entstanden ist. 

Meine Väter waren seit unerdenklichen Zeiten Jäger gewesen. Ich hingegen lernte zunächst nur das Handwerk des Präparators und die Freude des Tötens blieb mir lange Zeit fremd. Schon als kleines Kind hatte ich mich für Puppen interessiert. Meine Mutter fertigte sie in ihrer Freizeit an, um sich einen kleinen Obulus dazu zu verdienen und auch um meinem Vater in seiner harter Tätigkeit dienstbeflissen unter die Arme zu greifen. Sie tat ja sonst nichts. So sah es jedenfalls mein Vater. Doch in ihrem Puppenspiel entdeckte ich wahre Größe – ich fand das Leben selbst. Ich beobachtete sie sehr gern, wie sie kleine Körperteile quasi aus dem Nichts erschaffen konnte und sie nach Belieben zusammensteckte – sie gebahr, ohne befleckt zu werden. Sie war die Jungfrau Maria, nein sie war der allmächtige Gott selbst. Aber auch die Tätigkeit meines Vaters faszinierte mich zusehens. Die Kraft und das Ansehen, das mit seinem Beruf einhergingen, war verlockend. Er konnte Leben nehmen und Leben geben und zudem sorgte er für die Ordnung im Walde. Er formte die Landen unter seinen Händen und legte der Wildnis seine Zügel an. 

Der plötzliche Tod der beiden schmerzte mich sehr. Er riss mich förmlich von dieser Welt. Meine Eltern wurden fast – ich betone fast! – von einem Flugzeug erschlagen. Die Turbine einer im Landeanflug befindlichen Linienmaschine hatte eine Schar Wildgänse eingesaugt und war daraufhin in Flammen aufgegangen. Vater und Mutter waren mit dem Auto unterwegs gewesen, als das abstürzende Flugzeug sie nur ganz knapp verfehlte. Meine Mutter jedoch starb vor Schreck und lenkte den Wagen eine steile Böschung hinab. Mein Vater wurde aus dem Auto geschleudert und in der Luft zerrissen. Komischerweise wurde seine Leiche nie gefunden. Es heißt, die Wölfe hätten sich ihn geholt. 


Der Tod meiner lieben Eltern hätte nicht sein müssen, wären nicht diese verdammten Wildgänse gewesen. Ich hasse diese beschissenen Wildgänse! Daher erlernte ich nach dem Ableben meiner Eltern den Beruf des Jägers (mich dürstete vor allem nach Rache), betrieb mein eigenes Handwerk aber weiter, in dem ich bereits zur Meisterschaft gelangt war. Doch in meinem Inneren war ich einsam und leer. Lange Zeit bin ich depressiv gewesen und wohnte in meinem Elternhaus. Es war furchtbar und elend und alles um mich herum erinnerte mich an die beiden Menschen, die einst Götter für mich waren. Doch dann, eines Tages geschah es: Ich saß in dem alten Sessel meines Vaters, blickte auf die Trophäen an den Wänden und starrte in die toten Augen der Puppen, die in den Glasvitrinen aufgebahrt waren. Da durchfuhr es mich wie ein Blitz! Ich riss den Kopf eines Rehkids von der Wand und begann sein Gesicht so zu schminken wie die darunter befindlichen Puppen. Und als ich das geschminkte Kids so betrachtete, da war das wie eine Erleuchtung, eine sehr persönliche, ich möchte sagen, intime Erfahrung. Je länger ich es ansah, desto größer wurden meine Begierden, die unaufhaltsam neue Türen aufschlugen. Ich kam sehr schnell auf den Gedanken, menschliche Geschlechtsteile an meinen Präparaten zu installieren, die von ungewöhnlicher Größe und Schönheit waren. Ich zeigte das einem meiner Freunde, von dem ich wusste, dass er gerne, nun ja, auch mal die Schafe in die Gummistiefel zu stellen wusste. Er war verblüfft, ja er wollte mir die Präparate sofort abkaufen für einen Preis, der mir utopisch hoch erschien. Viel zu hoch! Aber ich tat es trotzdem. Natürlich tat ich es! Und es war nicht nur eine ausgezeichnete Bestätigung in meiner künstlerischen Tätigkeit, nein das Geld verhalf mir sogleich meine Kunstfertigkeiten zu optimieren, zu experimentieren und ein gefragter Künstler zu werden, der bald zu Weltruhm gelangen sollte. 

Der Rest ist Geschichte, so kann man sagen. Ich vermischte die Erwartungen der modernen Kunst mit den Begierden der ländlichen Unterschicht, zu der ich damals noch selbst gehörte. Ich machte Tierpräparate mit Frauenköpfen, mit menschlichen Geschlechtsteilen und so weiter – alles zu einhundert Prozent funktionstüchtig. Ich holte mir meine Inspiration vorwiegend aus der griechischen Mythologie und aus japanischen Hentais. Ich erschuf Fabelwesen und Götter, Sexspielzeuge und Kunstobjekte. Aber wie jeder Trend verblasste auch dieser so schnell wie er gekommen war. Bald wurde ich als Perversling denunziert, von Frauenrechtlerinnen verfolgt und konnte bald nur noch an billigen Pornoproduktionen mitarbeiten, in denen sie auf entwürdigende Art und Weise meine Präparate zu billigen Kostümen umschneiderten und echte Menschen hineinsteckten. Es war einfach grässlich. Meine Kunst wurde buchstäblich vor meinen Augen vergewaltigt. 

Heute sitze ich wieder gebrochen und depressiv in meinem Elternhaus und träume von fetten, haarigen Titten über die Kinderhände streichen. Mal sehen, wie der Kunstmarkt darauf reagieren wird. 

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