Ellen Demnitz-Schmidt und die Dresdner Urban-Art-Szene

Ein unverzichtbarer Motor für die Dresdner Urban-Art-Szene
Ellen Demnitz-Schmidt und das SPIKE Dresden

Seit über 20 Jahren setzt sich Ellen Demnitz-Schmidt nicht nur aktiv für die Jugend ein, sondern gründete mit dem SPIKE Dresden auch einen Szenetreff für Dresdner Sprayer. Seit Januar 2015 setzt sie sich zudem intensiv für die Integration von Geflüchteten ein.


Prohlis ist nicht unbedingt ein Stadtteil, in dem man ein kulturelles Zentrum für Hip-Hop-Kultur vermuten würde. Graue Betonplätze und Plattenbauten wechseln sich hier mit vereinzelten Grünanlagen und Mehrfamlienhäuser provinziellen Charakters ab. Kaum zu glauben, dass von dem dort befindlichen SPIKE Jugendtreff aus fast alle legalen Graffiti-Projekte der Stadt mehr oder weniger ihren Ausgangspunkt genommen haben. Und auch die Chefin des SPIKE, Ellen Demnitz-Schmidt, würde man nicht auf den ersten Blick der Hip-Hop-Szene zuordnen.

Ellen ist auch auf recht unkonventionellem Wege mit der Szene in Berührung gekommen. Angefangen hatte alles mit der Hausbesetzung des Gebäudes Altstrehlen 1 im Jahr 1993. Ellen hatte damals als Lehrerin für Ethik und Geschichte gearbeitet, zudem war sie als Vertrauens- und Beratungslehrerin tätig. Schüler, die in die Besetzung verwickelt waren, traten an sie heran und baten sie um Hilfe die Besetzung zu legalisieren. Ihre Bemühungen erübrigten sich leider als das Haus kurz darauf abbrannte. Man vermutete Brandstiftung. 

Es kam zu Gesprächen mit Streetworkern, Polizei und Stadtverwaltung, bei denen sich Ellen aktiv für die Interessen der Jugendlichen gegen einige Zweifler einsetzte: „Ich war davon überzeugt, dass die Jugendlichen schon Dinge auf die Reihe kriegen, wenn man sie nur ein bisschen unterstützt.“ Daraufhin wurde sie von Streetworkern gefragt, ob sie nicht mit Hilfe eines Vereins dieses Engagement weiterführen wolle. Und so gründete sie im Mai 1995 den Altstrehlen 1 e.V.

Obwohl Ellen damals noch nicht genau wusste, ob eine feste Arbeitsstelle beim Verein gefördert werden würde, gab sie den Job als Lehrerin auf, um ihren Bildungsauftrag auf anderer Ebene weiterzuführen. „Es ging mir vor allem darum, Schüler nicht sinnlos zu beschäftigen, sondern Wissensvermittlung zu nutzen, um zu lernen, wie man lernt.“ Dieses Prinzip zog sich auch durch die Geschichte des SPIKE – von den ersten Räumlichkeiten auf der Spitzwegstraße bis hin zu dem Jugendtreff, der 2000 auf der Karl-Laux-Straße 5 einzog. Was im Spike angeboten wurde, haben die Jugendlichen stets mitgestaltet – und da durfte Hip Hop nicht fehlen. 


Der Trend schwappte spätestens mit dem Film „Beat Street“ über, der 1985 in den Kinos der DDR erschien. Neben ausgefeilten Tanzmoves und rhythmischen Hip-Hop-Beats waren darin eben auch knallige Graffitis zu sehen, von denen man sich hat inspirieren lassen. Die Sprüher, Breakdancer und DJ´s der ersten Stunde kann man auch jedes Jahr bei der „Oldschool Jam“ im SPIKE treffen.

„Die Sprayer und Hip-Hopper gehörten zu den ersten Nutzern“, erklärt Ellen. Sebastian „Slider“ Girbig gestaltete die Innenräume auf der Spitzwegstraße mit großflächigen Graffitis – und Streetart-Größe Andy K, in den 80ern in erster Linie noch Breakdancer aktiv, ist seit 2000 im SPIKE als Sprüher aktiv. Als Projektmanager und Freelancer bringen sie den Jugendlichen jetzt ihre Tricks bei.

Ellen hatte die Energie und Kreativität, die von der Szene ausgingen, schon früh gesehen und sich für legale Flächen zum Sprühen eingesetzt. „Man kann kreatives Potential nicht einfach in die Illegalität treiben, es muss eine Wahl geben“, erklärt Ellen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Dresden werden seit 2000 mehrere Wände zur Verfügung gestellt, an denen sich Sprayer ausprobieren, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Dennoch gebe es bei den Leuten nach wie vor wenig Verständnis für Urban Art. „Zu bunt, zu verschlungen, zu viel Style.“ 


Deshalb hält Ellen regelmäßig Vorträge, arrangiert großräumige Projekte im öffentlichen Raum: 2011 wurden drei Fußgängertunnel in Gorbitz durch SPIKE mit Hilfe von etwa 120 Sprayern gestaltet. Auch den Bahnbögen am Bahnhof Mitte wurde unter klaren Vorgaben der Stadt und der Sponsoren ein neues Aussehen verliehen, ebenso etwa 100 Verteilerkästen und über ein Dutzend Parkautomaten. 

Nach dem Mord an Khaled Bahray im Januar 2015 informierte sie sich über die Lage der Asylbewerber, die in der Nähe des SPIKE untergebracht sind. Mit ihren Mitarbeitern zog sie los, um Türklingeln mit ausländisch klingenden Namen zu suchen und die Leute einfach einzuladen. Inzwischen leisten zwei junge Geflüchtete hier ihren Bundesfreiwilligendienst und unterstützen das SPIKE bei seiner integrativen Arbeit. Mittlerweise ist der Jugendtreff in Prohlis zu einem Zentrum des kulturellen Austausches geworden.

Weitere Infos unter: www.spikedresden.de


 (Der Artikel ist bereits im 360gramm Magazin erschienen.)

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