»Wieviel Streit braucht die Demokratie?«

»Wieviel Streit braucht die Demokratie?«

An dem Wahlsieg Donald Trumps kamen auch die Teilnehmer der gestrigen Podiumsdiskussion im Deutschen Hygiene-Museum nicht vorbei. Schließlich war das Thema der Diskussion »Wieviel Streit braucht die Demokratie?«. Im Rahmen des »LITERATUR JETZT!«-Festivals und der Ringvorlesung »Im Anfang war das Wort. 12 Annäherungen an die Sprache und das Sprechen« debattierten der Schriftsteller und Dramaturg Lukas Bärfuss und Mitherausgeber der FAZ Jürgen Kaube über den Wandel und den Einsatz der Sprache in den Medien. Die Moderation leitete Dagmar Ellerbrock von der TU Dresden.

Die Gesprächsteilnehmer analysierten die sprachlichen Strategien der Populisten und kritisierten dabei auch die Rolle der Medien, die sich scheinbar willenlos von ihnen instrumentalisieren ließen. AfD, Trump und Co. setzen Provokationen gezielt ein, um im Gespräch zu bleiben, was meist wichtiger ist als Inhalte zu vermitteln oder Situationen sachgemäch zu bewerten. Am Beispiel Frauke Petrys, die Anfang des Jahres verkündete an den Grenzen notfalls auch auf Flüchtlinge schießen zu lassen, erklärte Bärfuss, wie die Populisten zunächst provozieren und ein Bild des Schreckens eröffnen. Die Menschen sind zunächst noch schockiert, doch je länger die Medien das Thema ausschlachten, desto schneller gewöhnt sich der Zuschauer an dieses Bild, bis es irgendwann als völlig normal erscheint. Wenige Monate später konnte bereits gemessen werden, wie die Bereitschaft der Bevölkerung auf Flüchtlinge schießen zu lassen dementsprechend gewachsen sei. 

Das sei eine Strategie, die wir vor allem aus totalitären Staaten kennen. »Das Sprachsystem von totalitären Ideologien wird politisch vorbereitet«, wie Bärfuss erklärt. Wir kennen dieses Phänomen unter anderem auch aus Viktor Klemperers Buch »LTI«. Klemperer beschreibt darin wie die Sprache der Nationalsozialisten zunächst das Denken, schließlich Weltanschauung, Politik und damit die Realität veränderten. Sprache ist eines der wichtigsten Machtinstrumente des politischen Handelns, worüber sich aber die meisten Menschen nicht bewusst sind, weil ihre Wirkung schleichend und kaum spürbar einsetzt – und zwar bei jedem. 

Doch Bärfuss führt weiter aus: »Das Problem der Populisten ist nicht die Sprache, sondern die Politik … In den letzten 30, 40 Jahren ist alles dazu unternommen worden, den Populisten das Feld zu räumen.« Den Interessen der Mehrheit seien in der Vergangenheit nur wenig Beachtung geschenkt worden, weshalb es den Populisten auch so einfach gefallen sei in die bereits bestehenden Kerben zu schlagen. Dass die Diskussionsskultur und der damit einhergehende Mangel an Gesprächs- und Kompromissbereitschaft so aus dem Ruder gelaufen ist, sei deshalb nur wenig überraschend. Kaube stimmt ihm gewissermaßen zu, wenn er am Ende verkündet: »Man stößt sich an den Steinen, auch wenn sie anders heißen.« 


Weiterführende Informationen und Termine unter: 
www.dhmd.de/index.php?id=2819

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