Street-Art im White Cube

Street-Art im White Cube
Magic City in der Zeitenströmung

Eine Ausstellung zum Thema Street-Art zu machen ist eine heikle Sache. Schließlich lebt diese Kunstform von dem urbanen Raum, in dem sie entsteht. Selbst wenn das Motiv in den Vordergrund gerückt wurde, greift das Werk für gewöhnlich den Ort seiner Entstehung mit auf und entwickelt daraus einen Dialog mit seinem Umfeld. Ebenso wichtig ist der Moment des Entdeckens, die kurze Freude, das Staunen und die Überraschung, wenn wir das Werk an einem Ort erblicken, an dem wir es nicht erwartet hätten. Der Street-Art-Künstler ist ein Wanderer, der meist in der Nacht auszieht, um sich die Flächen der oft grauen und tristen Stadtlandschaften zu erobern. Nicht selten ist sein Antrieb mit der Kritik am System oder der Persiflierung von Werbebotschaften verbunden.

Alle Bilder stammen aus der Pressemappe von Magic City.

Deshalb wirkt es auch wie ein sehr schlechter Scherz, wenn dem Besucher am Ende der Ausstellung von einer großen Leinwand aus Werbefilm von Premiere Sky entgegenschlagen – gemischt mit Kurzfilmen über Urban-Art aus aller Welt.

Dennoch kann man die Ausstellung »Magic City« von SC Exhibitions als Erfolg bezeichnen, denn sie hat den Versuch unternommen, die meist unterschätzte, doch immer populärer werdende Kunstform in die Galerie zu bringen. Dazu wurde eigens eine kleine, weiße Stadt in der Zeitenströmung errichtet, in der die Besucher auf Entdeckungstour gehen können. In nur drei Wochen haben 40 der renommiertesten Street-Artists aus 21 Ländern diese Stadt gestaltet. Darunter auch die lokalen Größen Benuz, Jens Besser und Andy K. Auch das Jugendzentrum »Spike« ist mit vertreten, das bereits seit über 20 Jahren ein Zentrum für Hip-Hop-Kultur und damit natürlich auch ein Szenetreff für Sprayer ist. Im Nachbargebäude wurde deshalb das Spike Lab eingerichtet, dass momentan als Austragungsort für Lesungen, Vorträge und Workshops zum Thema Street- und Urban-Art dient. 


Den Anspruch der Ausstellung, »Street Art in ihrer ganzen Vielfalt« darzustellen, kann man als geglückt ansehen, wenn man die Bandbreite der gezeigten Stile betrachtet. Die Künstler erschufen in der 2.500 Quadratmeter großen Halle neben typischen Bombings und Characters auch Installationen, amorphe 3D-Illusionen, Guerilla Knittings (eingestrickte Objekte), Stencils, Paste-Ups und Plakate. Allerdings wurde der Schwerpunkt eindeutig auf Murals, also großformatige Wandgemälde gelegt, die dafür aber mit den unterschiedlichsten Materialen und Techniken hergestellt wurden. Sogar das Thema Street-Art-Fotografie wird kurz angerissen, es bleibt dabei aber leider nur bei einer sehr spärlichen Auswahl. Und auch der Versuch, die Geschichte der Street-Art darzustellen, bleibt ein solcher. Ansonsten könnte man sich außerdem einige detailliertere Informationen wünschen, vor allem, was die Künstler betrifft. Die kommen eindeutig zu kurz. 

Die Ausstellung versucht, als Gesamtkonzept zu überzeugen. Bemerkenswert ist, wie sehr dabei die wirklich beeindruckenden Werke der verschiedenen Künstler miteinander harmonieren. Und das Gesamtkonzept macht beim Visuellen nicht halt: Die beiden Filmkomponisten Lorne Balfe und Hans Zimmer haben für die Ausstellung sogar ein spezielles Sounddesign entwickelt, das zum Gesamterlebnis von »Magic City« ebenso gehört wie die Präsentation von verschiedenen Kurzfilmen über Street-Art-Projekte, die vor Ort gezeigt werden. 


»Magic City – Die Kunst der Straße«, 1. Oktober 2016 bis 8. Januar 2017 in der Zeitenströmung; begleitende Vorträge, Lesungen, Filmabende, Workshops und mehr unter www.magiccity.de 

(Der Artikel erschien bereits im Dresdner Kulturmagazin.)

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