Das Leben hinter den Bussen

Das Leben hinter den Bussen
Manaf Halbounis »Monument« am Neumarkt zwingt zur Auseinandersetzung

Es sollte »ein Zeichen für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit« werden, doch in den Schreien wütender Bürger ging die gut gemeinte Absicht des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni leider gnadenlos unter. Viele von ihnen sahen in dem Aufstellen der drei Busse auf dem Neumarkt eine Provokation. Es sei wohl nicht zweifelsfrei geklärt, ob die Straßensperre in Aleppo, an die das Kunstwerk »Monument« erinnert, tatsächlich von syrischen Zivilisten aufgestellt wurde. Schließlich kursierten Fotos im Netz, auf denen unter anderem auch die Flagge islamistischer Terroristen an den Bussen angebracht waren.


Die Einweihung am 7. Februar glich daher schon eher einer Katastrophe denn einem feierlichen Zeremoniell. Sprechchöre überschrien die Reden von OB Dirk Hilbert, Christiane Mennicke-Schwarz, der Leiterin des Kunsthauses und dem Pfarrer der Frauenkirche Sebastian Feydt. Auch rassistische Motive spielten bei der verbalen Entladung eine wichtige Rolle. Eine hysterische Frau direkt neben mir schrie sogar: »Dieser Asylanten-Assi soll seine Kunst dort machen, wo er herkommt.« Nachdem aber jemand neben ihr sie darauf aufmerksam machte, dass Halbouni gar kein Flüchtling sei, ja seine Mutter sogar in Deutschland geboren wurde, herrschte kurzes Schweigen. Doch dann wurde wieder auf übliche Parolen zurückgegriffen: »Der Schrott muss weg!«, »Schrottkunst« oder »Soll das etwa Kunst sein?« 

Die Situation war schon äußerst absurd, auch weil die Reden vom Podium anscheinend im Flüsterton weitergeführt wurden. Aber auch weil sich die Demonstranten den Anschein gaben, sich mit dem Kunstbegriff an sich schon intensiv auseinandergesetzt zu haben. Halbouni aber blieb ruhig und hatte nur Kopfschütteln übrig, hielt seine Rede kurz und fragte in ruhigem, doch bestimmtem Ton: »Ihr wollt Vertreter des christlichen Abendlandes sein? Ihr habt ja noch nicht mal den Pfarrer aussprechen lassen! Ihr seid keine Vertreter des Deutschen Volkes! Ihr nicht!« 

Manaf Halbouni kurz vor seiner Ansprache.

Dabei wird das »Monument« nur acht Wochen auf dem Dresdner Neumarkt zu sehen sein. Bereits am 3. April wird es die Landeshauptstadt wieder verlassen. Woher aber kommt die Wut auf dieses Werk? »Zugegeben – schön ist das Monument nicht«, wie Dirk Hilbert bereits am Anfang seiner Rede zur Eröffnung zugab. Aber muss ein Antikriegsdenkmal schön sein? Andere Kritiker merkten wiederum an, dass die Busse ja nicht einmal aus Aleppo stammten. Muss man auf solche Kritik überhaupt eingehen? Wie pietätlos wäre es wohl, extra Busse von Aleppo nach Dresden zu bringen? Zudem Halbouni auch nicht den Eindruck von zerschossenen Barrikaden erwecken wollte, wie er im Gespräch verrät. Deshalb sei das »Monument« auch keine Eins-zu-eins-Kopie jener Busse aus Aleppo, deren Bilder 2015 um die Welt gegangen sind, vielmehr eine eigenständige Arbeit, die zum Erinnern und zur Auseinandersetzung mit dem Krieg in Syrien einladen sollte, dessen Auswirkungen auch in Deutschland, etwa in Form von Kriegsflüchtlingen, spürbar sind. Eigentlich wollte der Künstler sogar Dresdner Busse verwenden, um das Gefühl zu vermitteln, wie es wäre, wenn der Krieg vor der eigenen Haustür stattfindet. Vor Ort wurde er aber nicht fündig und musste so auf Busse aus Bayreuth zurückgreifen. 

Manaf Halbouni erklärte im offenen Künstlergespräch, dass ihn vor allem das Leben hinter den Bussen interessiert habe. Auf allen Bildern, die er kannte, waren Gemüseläden, Menschen auf Fahrrädern und Familien zu sehen. Dagegen habe er das Foto der Barrikade aus Aleppo, auf dem die Fahne der »Ahrar al-Scham-Miliz« wehte, nicht gekannt. Er erklärte dazu: »In der Situation dieses Krieges, unter dem die Zivilbevölkerung leidet, gibt es viele Seiten. Mir geht es nicht um die Akteure, von denen die brutale Gewalt dieses Krieges ausgeht, sondern um das Leben der Menschen in dieser Situation.« Die Fahne ändere schließlich auch nichts daran, dass die Busse vor tödlichen Kugeln geschützt haben, egal aus welchen Gewehren sie auch stammten. Auf die Frage, weshalb er nun in Dresden auf den Krieg in Syrien aufmerksam mache, antwortete er: »Das Monument steht als Symbol gegen jeden Krieg überall auf der Welt.« 

Der Platz vor der Frauenkirche sei als Stelle für ein Denkmal der Erinnerung mehr als passend gewesen. Schließlich war die Ruine der Frauenkirche Jahrzehnte lang selbst ein Mahnmal für den Krieg. Halbouni selbst kennt die Ruine noch aus Kindertagen, da seine Mutter gebürtige Dresdnerin ist und sie die Stadt zusammen mit Halbounis Vater, der noch immer in Damaskus lebt, regelmäßig besuchten. Auch seine Großeltern haben im Februar 1945 alles verloren. Das Familiengrundstück sei heute noch eine Rasenfläche. In seiner Person eröffnet sich also bereits die Verbindung zwischen Syrien und dem kriegszerstörten Deutschland der Nachkriegszeit, dessen Wiederaufbau auch nach 72 Jahren Frieden noch nicht gänzlich abgeschlossen ist. 


In den Arbeiten Halbounis taucht das Thema nach Identitätssuche und Kriegsbewältigung daher immer wieder auf. Schon bei der Kunstaktion »Ein Sachse auf der Flucht« hat er sich ein Flüchtlingsauto unter anderem mit Gartenzwergen, Koffern und einem Bierkasten beladen und hat es damit bis nach Venedig und London geschafft. Die Gegenstände, die er mitgenommen hatte, stammten dabei fast ausschließlich aus Sachsen. Grund dafür sei in erster Linie, dass diese Gegenstände für ihn identitätsstiftend sind. Vor allem aber wollte er mit dem Wagen an die Flüchtlingsautos der europäischen Nachkriegszeit erinnern, die damals allgegenwärtig waren, egal in welchem Land. 

Das »Monument« solle aber nicht nur an den Krieg erinnern. Durch die Achse Frauenkirche – Luther-Denkmal – Monument verweist das Werk im Luther-Jahr 2017 auch auf das Aufbrechen verfahrener Positionen, auf einen Perspektivenwechsel, der uns in den heutigen Tagen mehr denn je fehlte. Die Auswirkungen verfahrener Positionen waren zur Eröffnung direkt zu spüren. So respektlos wie die Menschen in den sozialen Netzwerken in die Kommentarspalten posten, so schallt es eben auch auf den Straßen weiter. Deshalb wird eine Dialogkultur gebraucht, die uns vor Augen führt, dass wir noch immer mit Menschen kommunizieren. 

Direkte Gespräche kamen dann aber doch noch zustande, nachdem sich die erste Empörung gelegt hatte und bei einigen das Nachdenken einsetzte – am Neumarkt vor dem »Monument« und in ähnlicher Weise auch bei der Installation »Lampedusa 361« vor der Semperoper, bei der Fotos von Flüchtlingsgräbern gezeigt wurden. Das lässt zumindest hoffen.
 

Weitere Informationen unter:
www.kunsthausdresden.de
www.manaf-halbouni.com


Künstlergespräche mit Manaf Halbouni finden am 4. und 9. März auf dem Neumarkt statt.


(Dieser Artikel erschien in ähnlicher Weise bereits im Dresdner Kulturmagazin.)




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