Stille versus Clubkultur

Stille versus Clubkultur
Der »Fall Sabotage« steht exemplarisch für die zunehmenden Konflikte zwischen Anwohnern und Clubbetreibern

Das Damoklesschwert der Schließung schwebt über dem Dresdner Techno-Club Sabotage. Vereinzelte Probleme mit den Nachbarn gab es schon öfters, doch richtig kritisch wurde die Lage erst, als ein neuer Anwohner Beschwerde beim Umweltamt einlegte, das dann Lautstärkemessungen in die Wege leitete. Die geringe Grenzüberschreitung wurde allerdings schon behoben. Der Club wurde fachgerecht abgedämmt und ein Limiter sorgt nun dafür, dass übles Bassgeschrammel bei Höchstwerten abgeregelt wird. »Das Problem ist auch gar nicht so sehr die Musik, sondern es sind die Gäste, die sich im Hinterhof aufhalten«, erklärt Christoph Töpfer, einer der beiden Betreiber des Sabotage. Dabei könne ein normales Gespräch an der falschen Stelle geführt, die Anwohner bereits aus dem Schlaf reißen. Grund ist die ungünstige Schallausbreitung im Hinterhof.

Das Foto stammt von Anton Launer (Neustadtgeflüster).

Der Grünen-Politiker Torsten Schulze stand bereit, um zwischen den Betreibern und Anwohnern zu vermitteln, da eine Kommunikation zwischen den Parteien »seit den Dezibelmessungen kaum oder gar nicht stattgefunden habe.« Das Problem dabei ist, dass das Recht des Einzelnen über dem Gewerberecht steht. Sobald also nachgewiesen werden kann, dass die Anwohner sich regelmäßig von Lärm belästigt fühlten, können Lizenzen und Betriebserlaubnisse ziemlich schnell entzogen werden. So steht es im Bundesimmissionsschutzgesetz. Demnach ist die Nachtruhe einzuhalten, die in Sachsen auf 22 Uhr festgesetzt ist. Für einen Techno-Club natürlich schwer vorstellbar, schließlich werden die Gäste um diese Uhrzeit erst mal wach und gehen zu den Veranstaltungen, die am Wochenende circa 23 Uhr beginnen.

Torsten Schulze stand als Vermittler zwischen den Fronten zur Verfügung.

Im Laufe des Streits ist auch die Idee von einer »Kulturschutzzone« aufgekommen, die die Rechte von Veranstaltern ausweiten und das lebendige Kulturleben – mit dem die Stadt Dresden ja auch wirbt –wenigstens in Teilen der Neustadt sichern könnte. »Allerdings«, so Torsten Schulze, »haben wir das Problem, dass es diesen Begriff der Kulturschutzzone weder im kommunalen Satzungsrecht, noch in der Landesbauordnung, noch im Baugesetzbuch gibt und durch einen neuen Gesetzesentwurf erst ausgestaltet und entwickelt werden muss.« Das könnte Jahre dauern und die Gesetzeslage wohl auch nur geringfügig beeinflussen.

Zudem gäbe es das Problem der heranrückenden Wohnbebauung. »Zur Zeit wird fast jede Baulücke geschlossen«, sagt Schulze. Das führt nicht nur dazu, dass Anwohner näher an die Veranstaltungen heranrücken, sondern auch dass Schalltrichter entstehen, die Geräusche zunehmend verstärken. Das sorgt für Interessenkonflikte. Nicht nur in der Neustadt.

»Wir sind aber nicht nur eine wachsende Stadt, wir sind auch eine alternde Stadt«, fügt Schulze hinzu. Das Ruhebedürfnis sei zudem nicht nur bei älteren Bewohnern ein größeres, auch viele jüngere sehnen sich zusehends nach Stille; vor allem in einem so kinderreichen Viertel wie der Neustadt. Christoph Töpfer überlegt deshalb mit seinem Geschäftspartner Harald Köhler, ob es angesichts unlösbar scheinender Probleme nicht sogar sinnvoller sei, nach einer neuen Location zu suchen. Denn allzu starke Einschränkungen, wie von einigen Anwohnern gefordert, wären kontraproduktiv für einen Clubbesuch.

Allerdings sollte man sich überlegen, was der Umzug für das Leben in der Neustadt bedeuten würde, denn »wenn es ein lebendiger Stadtteil bleiben soll, dann werden wir weiterhin auf die Toleranz seiner Bewohner angewiesen sein«, schließt Töpfer. Die Betreiber warten nun auf die Zusage der Ämter und gehen Anfang Juli erst einmal in die Sommerpause. Wie es danach weitergeht, kann noch niemand mit Gewissheit sagen.

weitere Infos: www.sabotage-dresden.de


(Der Artikel erschien bereits im Dresdner Kulturmagazin.)



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