Graue Wände waren gestern

Graue Wände waren gestern
Das LackStreicheKleber-Festival geht in die vierte Runde

Wer einmal offenen Blickes durch die Straßen zieht, wird feststellen, dass Dresden in Sachen Streetart ganz gut aufgestellt ist. Für alle, die sich lieber auf den Blick des Kenners verlassen wollen, sei an die Führungen von Danilo Hommel verwiesen, der auch zum diesjährigen LackStreicheKleber-Festival auf die urbanen Kunstwerke aufmerksam macht.

Alle Bilder stammen aus der Pressemappe von LSK 2017.


Auch im vierten Jahr des Festivals liegt eines der Hauptanliegen darauf, ein breites Publikum für Urban-Art empfänglich zu machen. Dass das Vorhaben der letzten Jahre bereits geglückt ist, zeigt sich an der immer größer werdenden Resonanz, die nun auch in der Stadtpolitik Wellen schlägt. So wird zur offiziellen Eröffnung des Festivals am 1. August im Hole of Fame Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch einleitende Worte sprechen. »Das allein zeige schon, dass die Szene mehr und mehr Anerkennung findet«, verrät Jens Besser, Mitorganisator und Streetart-Künstler. Zudem sei die »Vonovia« auf das Organisationsteam zugegangen und hätte Künstlerwohnungen und Ausstellungsräume zur Verfügung gestellt. Das dürfte allerdings nicht ganz ohne Hintergedanken vor sich gegangen sein. Schließlich sorgt das Festival mit offenen Malaktionen für die Verschönerung von Stadtteilen und das ist für Gentrifizierungsbefürworter und Investoren ebenso interessant wie für Ästheten und Kunstliebhaber. 

Natürlich hatte auch die »Magic City«-Ausstellung vom vergangenen Jahr Einfluss auf die Akzeptanz von Urban-Art in Dresden. »Magic City hat die Szene ganz schön gepusht«, sagt Jens Besser. Nicht zu vergessen dabei sind aber auch die jahrzehntelangen Sensibilisierungsversuche des Spike-Jugendzentrum in Leubnitz-Neuostra, die mit zahlreichen Aktionen versuchten, auch aktiv auf die Politik Einfluss zu nehmen. Dennoch kann man noch lange nicht von einem Wohlwollen gegenüber der Szene sprechen. Auf dem letzten Symposium für Kunst im öffenlichen Raum seien daher wohl vermehrt heruntergezogene Mundwinkel zu beobachten gewesen. Es stellte sich aber zumindest ernsthaft die Frage, wie das Barock-Image der Stadt mit der breit aufgestellten Urban-Art-Szene zu vereinbaren ist. 

Das Foto zeigt ein Mural von César Olhagaray aus DDR-Zeiten.

Verschiedene Veranstaltungen des diesjährigen Festivals sollen sich deshalb speziell mit dem Selbstverständnis von Urban-Art auseinandersetzen, sollen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Szene ausloten. So wird in der Eröffnungsausstellung »El Rayador feat. Mural Illegal« erstmals eine geschichtliche kuratorische Aufarbeitung der Urban-Art der Vorwendezeit beginnen. Werke des chilenischen Künstlers César Olhagaray werden dort dem Schaffen des deutschen Künstlers Ralf Menzel gegenüber gestellt. Olhagaray musste infolge des Putsches von 1973 in die DDR flüchten. Dort durfte er aus Solidarität mit dem ehemals sozialistischen Land ein Kunststudium in Dresden beginnen und konnte später großformatige Wandbilder in der DDR verwirklichen – allerdings mussten sich diese am Sozialistischen Realismus orientieren. Ralf Menzel hingegen griff Ende der 80er Jahre selbst zum Pinsel und wurde dafür von seinem Freund, der Schmiere gestanden hatte, an die Stasi verpfiffen. Beide Künstler werden im Rahmenprogramm, das sich auf zwei Vorträge und eine Podiumsdiskussion verteilt, über ihre unterschiedlichen Erfahrungen berichten. Jens Besser erklärt, dass dies vor allem den Zweck verfolge, Kunsthistorikerinnen und angehende Kunsthistoriker auf das Thema aufmerksam zu machen, »da vor allem die Streetart-Geschichte des vordigitalen Zeitalters noch nicht ausreichend aufgearbeitet ist.« 

In puncto Gegenwart gehe es vor allem um Malaktionen im Stadtteil Leuben. Auf einer großen und drei kleineren Wänden werden dort während des Festivals Wandbilder, sogenannte Murals, entstehen. Neu in diesem Jahr ist, dass im Vorfeld eine internationale Ausschreibung gestartet wurde, an der sich 60 Künstler beteiligt hatten. Davon wurden drei lokale und drei internationale Streetartist ausgewählt, um die Wände gemeinsam zu bemalen. Ziel sei es, den Austausch mit anderen Künstlern aus anderen Ländern anzuregen. »Wir wollen dazu motivieren, dass sich die Leute weiterentwickeln und experimentieren können«, erklärt Besser. »Wir haben uns daher bewusst auch für drei kleinere Wände entschieden, um den Künstlern die Möglichkeit einzuräumen die Umgebung auf sich einwirken zu lassen. Denn das sollten Künstler auch immer tun: die Gesellschaft in sich aufsaugen.« 


Der Austausch mit anderen Ländern, der für die Steetart-Szene schon seit jeher prägend war, soll in einem weiteren Festival im tschechischen Ústí nad Labem weitergeführt werden. Das Projekt, das mit Hilfe des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds realisiert wird, ist auch Teil des Aspekts »Zukunft«, den das LackStreicheKleber-Festival dieses Jahr thematisieren will. Konkret wird dieser Punkt in der Live-Painting-Performance »Murals of the future« auf dem Scheune-Vorplatz. In der experimentellen Veranstaltung, die in ähnlicher Form auch letztes Jahr schon stattgefunden hat, soll die Formensprache des Murals selbst infrage gestellt werden. 

Das komplette Programm findet ihr im Netz unter: 

(Der Text erschien bereits im Dresdner Kulturmagazin.)  


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