Stadtteilreport Friedrichstadt

Ein Stadtteil im Wandel
Der Sound von Friedrichstadt

Friedrichstadt gilt immer noch als ein recht unbeliebter Stadtteil. Jahrelang klafften große Baulücken und Brachflächen zwischen grauen Häuserwänden. Grünflächen waren kaum vorhanden. Heute wechseln sich hier vor allem weitläufe Kleingartenanlagen mit Industrie- und Gewerbegebieten ab. Das Viertel ist daher von einer ungewöhnlichen Ruhe beherrscht – wenn man einmal von den wenigen stark befahrenen Straßen absieht. Selbst der große Rangierbahnhof, der vor nicht allzu langer Zeit noch einer der wichtigsten Knotenpunkte für den Güterverkehr in Sachsen war, scheint still zu stehen. Er wird heute nur noch teilweise genutzt und zeugt von der einstigen Planung des Viertels als Industriegebiet.


Andere Wahrzeichen des Stadtteils sind ebenfalls industriellen Ursprungs: so etwa die ehemaligen Schlachthöfe, in denen noch bis zum ersten Oktober Dresdens größte Kunstausstellung, die »Ostrale« zu sehen sein wird und die teilweise zu den heutigen Messehallen umgebaut wurden. Auch die Dresdner Mühlen mit angrenzendem Alberthafen zählen dazu und selbst die orientalisch anmutende Yenidze wurde einst als Zigarettenfabrik erbaut und erst später zum Bürogebäude umgestaltet. Unter der Kuppel, die als Erholungsraum für die Arbeiter angelegt wurde, findet sich nun ein Restaurant. Zudem organisiert der »Verein der Freunde der 1001 Märchen in der Yenidze e.V.« fast täglich Märchenlesungen, die nicht nur für Kinder und Jugendliche geeignet sind. 

Gegenüber der Yenidze wurde dieses Jahr die neue Ballsportarena eröffnet, dahinter befindet sich der Sportpark Ostra. Die große Anlage ist öffentlich zugänglich und kann das ganze Jahr über kostenlos genutzt werden. Ausnahmen bilden das Beachvolleyballfeld und die Eissportarena, die mit zahlreichen Angeboten lockt. 

Kulturelle Angebote sind in Friedrichstadt nur recht spärlich zu finden und werden ausschließlich von gemeinnützigen Vereinen organisiert. Als Vorreiter ist der »riesa efau. Kultur Forum Dresden« zu nennen. Im März 1990 gegründet, gilt der »riesa efau« als einer der ersten Vereine, die in Dresden überhaupt entstanden sind. Begonnen hatte der Verein mit der Besetzung des Hauses in der Adlergasse 14, in der die Kneipe »Stadt Riesa« geöffnet wurde. Mit ihrer Hilfe wurde die »Galerie Adlergasse« darüber finanziert. Es folgte die Einrichtung von Grafik- und Malwerkstätten, sowie einem Kinderladen und dem Veranstaltungskeller. Nach und nach kamen weitere Gebäude und Werkstätten hinzu. Heute ist das »Kultur Forum Dresden« der größte und aktivste Kulturverein der Stadt, der auch über die Landesgrenzen hinweg bekannt ist. Nach eigenen Angaben bietet der Verein etwa 2.500 Angebote im Jahr an, die von circa 75.000 Besucher genutzt werden. Dazu gehören neben Konzerten, Ausstellungen und Lesungen auch zahlreiche Kurse, Workshops und die jährlich stattfindende Internationale Sommerakademie. 


Das Angebot des »riesa efau« richtet sich zudem an alle Altersklassen, wobei der Verein das Motto verfolgt »Kunst erfahren. Kunst erleben. Gesellschaft gestalten.« Zum letzten Punkt gehört die historische Aufarbeitung der Stadtgeschichte in der »AG Stadtdokumenation«, ebenso wie die Förderung des Engagements im eigenen Stadtteil. In diesem Zuge wurde 2012 auch die große Wandmalaktion »RAUM CityBilder« unter der Leitung des Streetart-Künstlers Jens Besser realisiert. An Brandwänden und Baulücken entstanden mit Hilfe von 21 weiteren nationalen wie internationalen Künstlern 17 großformatige Wandbilder, die das Aussehen des Stadtteils nachhaltig veränderten. Auch wenn einige Bilder bereits übermalt wurden, ist damit die größte öffentliche Galerie der Stadt entstanden.

Der »riesa efau« organisiert zudem das »Friedrichstädter Stadtteilfest«, das am 9. September bereits zum 22. Mal stattfindet. Hier präsentieren sich an knapp 50 Ständen die Vereine und Initiativen des Viertels. Wahrscheinlich wird es auch dieses Jahr wieder einen Stadtteilrundgang geben, der über die historischen Besonderheiten und Ereignisse von Friedrichstadt informiert. 

Seit letztem Jahr gibt es noch ein weiteres Stadtteilfest, das junge Initiativen von Löbtau und Friedrichstadt miteinader verbindet. Das »Roads-Festival«, das vom »SchauSchau-Kollektiv« organisiert wird, findet vom 6. bis 15. Oktober statt. Neben der Szenekneipe »Rösslstube«, in der hin und wieder auch Konzerte, Lesungen und Ausstellungen stattfinden, sind auch das Wächterhaus »eau42« und die »Betriebsküche« beteiligt. Im Wächterhaus »eau42« sind derzeit neun Parteien aus der Kunst- und Kreativszene ansässig, die dort ihre Arbeits- und Produktionsstätten eingerichtet haben. Zudem gibt es einen Gemeinschaftsgarten. 


Die ehemalige Betriebsküche der Deutschen Bahn auf der Berliner Straße hingegen ist in erster Linie ein Wohnprojekt. Das Gebäude wurde 2014 mit Hilfe des »Mietshäuser Syndikats« von der »B63 GmbH« aufgekauft. Hier werden demnächst auch regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Neben einer Küfa sind vor allem nachbarschaftliche Initiativen geplant, um »der steten Individualisierung und Entsolidarisierung der Gesellschaft etwas entgegensetzen«. Die Betreiber freuen sich bereits jetzt über jede Form des Austausches. 

Abschließend sei zu sagen, dass sich die Friedrichstadt im Wandel befindet. Es herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung und prozentual gesehen ist sie sogar einer von Dresdens Stadtteilen mit dem höchsten Bevölkerungswachstum. Das Viertel lebt von seiner Gemächlichkeit und vom nachbarschaftlichen Miteinander, das seine Türen für jeden offen hält. In Vorbereitung des »Roads-Festivals« findet daher auch vom 22. bis 23. September die »Wunschraumproduktion« am alten Güterbahnhof statt. Hier können alle Interessierten »über ihre Vorstellung von Nachbarschaft, Stadt und Kultur reden und ihre Ideen in ein begehbares Modell von einem lebendigen Stadtteil umwandeln.« 

(Dieser Artikel ist bereits im Dresdner Kulturmagazin erschienen.)




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