Die Ausbreitung der Clubkultur

Die Ausbreitung der Clubkultur
Das DAVE-Festival sucht stets nach neuen Kooperationen

Vom 20. bis 29. Oktober findet das DAVE-Festival bereits zum vierten Mal statt. Mit über 60 Veranstaltungen in mehr als 20 Locations bleibt das Festival für Clubkultur seinem diesjährigen Motto »Transgression« auf jeden Fall treu. Dass die Grenzüberschreitung aber nicht nur räumlich stattfindet, sondern auch in den Köpfen, erfuhr ich im Interview mit den Pressesprechern und Mitorganisatoren des DAVE-Festivals Philipp Demankowski und Kai-Uwe Reinhold.

Alle Fotos stammen aus der DAVE-Pressemappe. Bild aus »The History Of Darkness«.

Wenn man sich das diesjährige Programm des DAVE-Festivals ansieht, fragt man sich mal wieder: wer soll sich das eigentlich alles ansehen? Hattet ihr in den letzten Jahren Probleme damit, manche Räume zu füllen? 

Philipp Demankowski: 
Nein, eigentlich nicht. Wir bieten ja schon ein recht breites Angebot mit verschiedenen Schwerpunkten an, das natürlich auch ein anderes Publikum anspricht . Es gibt selbstverständlich Veranstaltungen, die nicht ganz so gut laufen wie andere. Aber ich bin schon überrascht, wie gut doch vor allem die großen Veranstaltungen besucht sind. Interessant finde ich auch, dass das Workshop-Camp so gut besucht ist. Denn das ist ja schon ein sehr spezielles Publikum, das sich dafür interessiert. Und auch das, was letztes Jahr neu war: die Diskussionsveranstaltungen haben sehr viele Leute interessiert. 

Wie habt ihr euer Weiterbildungsprogramm dieses Jahr gestaltet? 

Kai-Uwe Reinhold: 
In dem Programm versuchen wir uns mehr auszudifferenzieren. Ganz besonders freuen wir uns über die Kooperation mit der Hochschule für Musik, die Interesse an DAVE gezeigt hat. An der Hochschule gibt es auch ein Studium für elektronische Musik und da gibt es gewisse Schnittmengen und Synergieeffekte, die dabei entstehen. Das ist natürlich nochmal ein anderes Level. Allerdings sind auch die anderen Workshops genauso spannend und gewinnbringend wie die Kurse und Workshops, die man an der Hochschule lehrt. 

Was sind die Neuheiten beim diesjährigen DAVE-Festival? 

Philipp Demankowski: 
Neu ist definitiv die Kooperation mit dem Hygiene-Museum. Die Veranstaltung, die dort präsentiert wird, heißt »Faces of Sound« und schließt an die aktuelle Sonderausstellung »Das Gesicht – eine Spurensuche« an. 

Kai-Uwe Reinhold: 
Dabei wollen wir uns bei der Ausstellung im audio-visuellen Bereich positionieren. In der elektronischen Musik spielt das Gesicht eigentlich kaum eine Rolle. Es geht vielmehr um die Musik, die aus den Boxen kommt. Davon ausgehend haben wir Künstler gefunden, die sich dem Thema auf vier unterschiedlichen Wegen nähern. Das sind die Themen »Anonymität«, mit dem sich das DJ-Duo mit dem unaussprechlichen Namen SHXCXCHCXSH befasst. Auch der Künstler Rrose nähert sich dem Thema. Er tritt fast immer als Trans-Gender auf, um die Dominanz der Männer in der elektronischen Musikszene zu thematisieren. Zum anderen ist da Ulf Jungheinrich, der sich in seiner audio-visuellen Produktion »Full Zero« der Faszination der fremden Schönen nähert. Dann gibt es noch eine Performance von Robert A. A. Lowe, der mehrere Gedichte vertont. Bei der ganzen Veranstaltung ging es um den Anspruch, den DAVE ja auch grundsätzlich hat, nämlich mit den Räumen zu arbeiten und in dem Kontext der Räume zu agieren. 

Bild aus »Faces of Sound«.

Philipp Demankowski: 
Neu sind auch die Kooperationen mit dem Kleinen Haus des Staatsschauspiels und dem objekt klein a. Der Gedanke war die Clubkultur ins Theater zu bringen und ein Tanztheaterstück in den Club. Da wollten wir explizit Grenzen überwinden. 

Kai-Uwe Reinhold: 
Im Kleinen Haus findet eine audio-visuelle Performance namens »The History Of Darkness« statt. Valentina Berthelon von Recent Sounds hat sich mit alten Astronomiebüchern beschäftigt, hat daraus Collagen erstellt und mit neuen Theorien der Astrophysik kombiniert. Und mit dem elektronischen Sound ihres Partners Tobias Freund ergibt das buchstäblich einen audio-visuellen Kosmos, den man erleben kann. Das Thema ist im weitesten Sinne Dunkelheit. Das Gegenstück dazu bietet eine Neuvertonung von Walter Ruttmanns Kurzfilmtetralogie »Lichtspiel Opus I – IV«. Ruttmann, der ja vor allem durch seinen Film »Berlin: Die Sinfonie der Großstadt« bekannt ist, hat in diesen Experimentalfilmen auf Erzählstrukturen verzichtet. Sie gehören zu dem Genre des Absoluten Films, in dem nur noch Farben und Formen Stimmungen ausdrücken sollen. In gewisser Weise gibt es das genau so heute auch noch. Bloß hat man vergessen, dass es das vor fast hundert Jahren auch schon gegeben hat; natürlich nicht mit elektronischer Musik unterlegt. Um den Film dann ins neue Jahrhundert zu holen, dafür sorgen Cuthead, Sandrow M und Bony Stoev. 

Das Theaterstück »Addiction to…« objekt klein a handelt von Sucht und thematisiert den Club als Sehnsuchtsort und ist im Club wohl ganz gut angesiedelt. 

Philipp Demankowski: 
Im objekt klein a findet auch erstmals ein »Vaporwave Showcase« statt. Ein Vaporwave ist eine weltweite Underground-Community, die sich über das Internet gebildet hat. Sie verwenden Vorlagen – zum Beispiel 80er Jahre Fahrstuhlmusik – und machen aus diesen Samples dann Tracks, die sich mittlerweile zu einer eigenen Musikrichtung entwickelt haben. Dabei benutzen sie auch eine ganz spezielle, fokussierte Bildsprache, in der sie vor allem Motive aus den 80er und 90er Jahren verwenden, Motive die sich meistens ständig wiederholen. Die Szene ist untereinander sehr gut vernetzt, agiert aber meistens nur online. Mit dem »Vaporwave Showcase« wird diese Kunstrichtung zum ersten Mal in einer »realen« Veranstaltung in Deutschland vorgestellt. 

Habt ihr noch weitere Highlights, auf die ihr euch ganz besonders freut? 

Philipp Demankowski: 
Zum einen ist da »Spectra« im objekt klein a, was letztes Jahr auch schon stattgefunden hat. Es haben sich zwei Teams aus Visual- und Audiokünstlern zusammengeschlossen. Die haben jeweils im Frühjahr begonnen ein Projekt zu erarbeiten. Das sind fast alles Künstler des Labels Raster (ehemals Raster-Noton). Was aus der gemeinsamen Arbeiten hervorgeht, ist immer eine sehr spannende Sache.

Kai-Uwe Reinhold: 
Ja, und zum anderen ist da »Beyond the Club«. Das ist ja quasi unser Klassiker, diesmal wieder in der Martin-Luther-Kirche und mit einer etwas anderen Ausrichtung: es geht vom Orgelspiel, über Loops bis hin zu selbstgebauten elektronischen Schlaginstrumenten. Natürlich gibt es auch wieder eine Filmvertonung im Militärhistorischen Museum, diesmal mit dem Film »Die Passion der Jungfrau von Orleans« von Carl Theodor Dreyer. 

Bild aus »Beyond the Club« 2015.

Habt ihr auch dieses Jahr wieder einen »Artist in Residence« und einen »Artist in Focus«? 

Kai-Uwe Reinhold: 
Der »Artist in Residence« ist dieses Jahr Susanne Kirchmayr aus Wien aka Electric Indigo. Sie ist für uns zum einen deshalb sehr spannend, weil sie seit einer halben Ewigkeit in der Technoszene aktiv ist. Sie legt schon seit fast 30 Jahren auf und hat auch lange im audio-visuellen Bereich gearbeitet. Zum anderen ist sie eine der Mitbegründerinnen des Netzwerkes »female:pressure«, bei der es um die Gleichbehandlung von Frauen am DJ-Pult geht, die oftmals kaum Beachtung finden. Das war uns vor allem deshalb so wichtig, weil wir gemerkt haben, dass wir selber diesen blinden Fleck in unserem Booking-Verhalten haben. Das ist also ein guter Anlass in unseren eigenen Köpfen Grenzen zu überschreiten. 

Philipp Demankowski: 
Der »Artist in Focus« ist Cuthead von Uncanny Valley, der ja schon seit längerem in Dresden sehr umtriebig ist und mehrere Platten veröffentlicht hat. Früher war er bei »Kunst:Stoff Breakz« sehr aktiv und hat sich da auch einen sehr guten Ruf zugelegt. Im Nebenberuf ist er Kameramann und hat deshalb schon einen ganz natürlichen Zugang zur Audio-Visualität. Da gab es auch keine großen Diskussionen, dass wir ihn nehmen. Beide Künstler werden bei mehreren Auftritten zu sehen sein und auch in Workshops Einblicke in ihre Arbeitsweisen zeigen. 

Electric Indigo aus Wien.
Cuthead aus Dresden

Ihr habt dieses Jahr auch wieder viele Meet&Greet-Veranstaltungen geplant, bei der die Szene näher zusammenrücken soll. Welche Formate werden dieses Jahr stattfinden? 

Philipp Demankowski: 
Es gibt zum Beispiel die Scan-Party von Banq.de, die auch das ganze Jahr über stattfindet. Das ist eine schöne Möglichkeit, um sich im Kontext zu treffen. Jeder bringt seine Partyflyer mit, die in ein Archiv eingepflegt werden. Dazu läuft Musik. Dann gibt es an den Wochenenden im Bon Voyage eine Veranstaltung, zu der man sich ebenfalls das Jahr über trifft. Das soll längerfristig eine Basis für DAVE werden. Hier soll man im Idealfall immer jemanden von DAVE treffen können.

Kai-Uwe Reinhold:
Zudem gibt es da noch ein sehr interessantes Format mit dem Namen »Music is my Radar« in der Nikkifaktur in Zusammenarbeit mit Kazoosh. Das ist eine sehr spannende Installation, bei der die Zuschauer eingeladen sind mitzumachen. Die besteht aus Elementen vom Flohmarkt oder vom Schrottplatz, also aus Zylinderfassungen vom Moped oder Drehkurbeln, über die man verschiedene Soundspuren bedienen kann. Im Idealfall können sich daran bis zu acht Personen beteiligen. 

Das DAVE-Festival (Dresden Audio Visual Experience) findet vom 20. - 29. Oktober statt. Das volle Festivalprogramm unter: www.dave-festival.de 


(Das Interview ist bereits im Dresdner Kulturmagazin erschienen.)

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