Wenn die Worte fehlen …

Wenn die Worte fehlen …
»Klatsch & Muff« über ihr Theaterstück »Ein Raum voller Welt«

Die Begegnung mit dem Fremden kann faszinierend aber auch beängstigend sein. In Bezug auf die sogenannte Flüchtlingskrise scheint die Angst jedoch das allgemein vorherrschende Gefühl zu sein. Woher diese Angst kommt und wie man lernen kann mit ihr umzugehen, damit beschäftigt sich das Theaterstück »Ein Raum voller Welt« von Nora Otte und Julia Schleißner, die sich zu dem Theaterkollektiv »Klatsch & Muff« zusammengeschlossen haben.

Alle Bilder stammen von Clemens Mart.

Kennengelernt haben sich die freischaffende Regisseurin, Performerin und Tanzdramaturgin Nora Otte und die Theaterpädagogin Julia Schließner eher durch Zufall auf dem Balkon der Tanzschule tenza in Dresden. Die beiden entdeckten schnell gemeinsame Interessen und Denkweisen. Es folgte der Plan für ein gemeinsames Projekt. Dass die beiden sich mit der Flüchtlingkrise auseinandersetzen wollten, wurde von vornherein beschlossen. »Wir wollten Flüchtlinge aber nicht instrumentalisieren, sondern die Gesellschaft, die Geflüchtete aufnimmt, kritisch hinterfragen. Das war der erste Impuls zu sagen, wir wollen aktiv werden«, verrät Nora im Interview. 

Im Laufe der Arbeit beschlossen die beiden aber von »dem Flüchtling« wegzukommen. Sie wollten stattdessen eine Abstraktionsebene tiefer gehen und sich ganz allgemein mit dem Fremden, dem Unbekannten und Neuen beschäftigen und die Frage aufwerfen, woher diese Ängste kommen, die viele mit der Konfrontation mit dem Fremden entwickeln. 


Da die öffentlichen Diskussionen über die Themen »Überfremdung« und »Xenophobie« so überemotionalisiert werden, entschieden sie sich einen anderen Weg einzuschlagen: »Wir haben deshalb nach einer Möglichkeit gesucht diese hoch emotionale Debatte zu verlassen und versucht Bilder für Situationen zu finden, in denen sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit niederschlägt«, erklärt Julia. »Es ging um die Frage: Wie können wir eine gemeinsame Sprache finden, wenn die Worte fehlen?« 

Deshalb entschieden sie sich Maskentheater zu machen, das auch ohne Worte auskommt. Die neun Masken, die sie selbst anfertigten, stellen verschiedene Emotionen dar und sind nicht an Charaktere gebunden. Durch ihre Körpersprache, aber auch durch den Einsatz von Licht und Musik, verändert sich deren Bedeutung stetig. »Es wurde versucht darzustellen, wie ein Fremder, der hier herkommt, eventuell unsere Gesellschaft wahrnimmt. Erst wird er begrüßt, dann stößt er auf Abwehr, dann durchlebt er dieses bürokratische Dilemma«, erklärt Nora. Dabei aber betont sie, dass es dabei nicht darum gehe, für irgendeine Seite Partei zu ergreifen. Denn Angst bestehe auf allen Seiten. Daher sei es wichtig zu hinterfragen, wie die beteiligten Akteure die verschiedenen Situationen wahrnehmen und um die Fragen: »Wie kann man das gespaltene Dresden wieder zusammenbringen? Es müssen beide Seiten aufeinander zu gehen. Was passiert danach? Was passiert nach der Willkommenkultur?«

»Ein Raum voller Welt« ist daher als der Versuch zu begreifen, Lösungsversuche im Betrachter selbst zu wecken. Es geht darum, aufeinander zuzugehen und sich die Hand zu reichen. Der Zuschauer wird daher selbst mit in das Stück eingebunden. Er nimmt verschiedene Sichtweisen und Rollen ein. 


Die nächsten Aufführungen finden am 6./7. Oktober und am 22./23. November jeweils 20 Uhr im Projekttheater statt. Weitere Informationen unter: www.klatschmuff.de 


(Dieser Artikel ist bereits in ähnlicher Weise im Dresdner Kulturmagazin erschienen.) 



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