Schön schräg! Thomas Schönfeld im Interview

Schön schräg!
Thomas Schönfeld im Interview

Veranstaltungen, bei denen Freie Improvisationsmusik gespielt wird, sind in Dresden eher schwer zu finden. Viele Leute können auch dieser Art des musikalischen Experiments nicht viel abgewinnen, anderen aber ist etwa die gängige Jazzmusik, vor allem in Dresden, zu einseitig und monoton. Ich habe mich deshalb mit dem Posaunisten und Trompeter Thomas Schönfeld getroffen, der sich auch mit elektronischer Musik beschäftigt. In verschiedenen Veranstaltungsformaten bringt er auch deshalb unter anderem Instrumentalmusiker mit Leuten zusammen, die elektronische Musik machen. In dem Gespräch ging es um seinen Werdegang, aber auch um Möglichkeiten und Potentiale in der Dresdner Musikszene.


Wann hast du angefangen Musik zu machen?

Das hat damals schon in der Schule angefangen. Die Schwestern von meinem Vater und meine Cousins hatten schon Musik gemacht. Ich hab deshalb dann in der Musikschule Trompete gelernt. Da war ich 10. Später hab ich zur Posaune gewechselt. In Bloaschütz, wo ich herkomme, und in der Region Bautzen gibt es eine augeprägte Blasmusikszene, weniger deutsche Blasmusik, sondern eher tschechische und sorbische Blasmusik. Später hatte ich dann auch bei der Blaskapelle »Horjany« mitgemacht. Zunächst aber spielte ich in der Schul-Big-Band mit, später auf dem Schillergymnsium in Bautzen, lernte ich dann die Band »Kohinor« kennen. Leute in meinem Alter, bei denen alle gleichberechtigt waren – also ohne einen Leiter, der alles bestimmt hat. Das hat mir dann schon besser gefallen. Wir hatten unter anderem Auftritte im Steinhaus Bautzen. Durch die Kontakte bin ich zur »LSS-Crew« gekommen, eine Hip-Hop-Crew, bestehend aus zehn bis 15 Leuten. Dort bin ich auch in Berührung mit elektronischer Musik gekommen. Ab der zwölften Klasse hab ich dann bei Micha Winkler in Dresden Posauenenunterricht genommen. Da bin ich dann auch in die HSK Big Band gekommen (die Big Band des Heinrich-Schütz-Konservatoriums). Ab 2006 habe ich dann an der Hochschule für Musik studiert. In der HfM geht es recht technisch zu und ich hab da kaum Lehrer gefunden, mit denen ich über die »philosophischen« Ansätze des Musik-machens reden konnte. Warum macht man die Musik? Wo soll das hinführen? Was hat man selber für Ideen? Und da hab ich dann, obwohl ich ja dort studiert hab, innerlich eine Art Anti-Haltung gegen diese Strukturen entwickelt. Deshalb bin ich auch schon recht schnell zu freien Ansätzen gekommen.
 
Was störte dich an der Musikausbildung?

Mich störte es zum Beispiel beim Jazz-Studium, dass man erstmal 30 Jazz-Standards auswendig lernte, sich ein Vorbild raussuchte und versuchte dieses zu kopieren, um dann den eigenen Stil daraus zu entwickeln. Das hat mich gestört, weil viele talentierte Musiker dann nach dem Studium einfach diese alten Sachen ewig weitermachten. Die Art und Weise Jazz-Standards zu improvisieren ging mir einfach auf die Nerven. Da spielt man das Thema A, dann spielt der Saxophonist die Improvisation, dann kommt der Trompeter, macht seine Improvisation und dann kommt wieder das Thema. Und das ist dann die Musik. Damit wollte ich mich nicht zufrieden geben, deshalb wollte ich gleich die freien Wege gehen und Strukturen aufbrechen. Das hat sich dann durch das ganze Studium durchgezogen und da fiel es mir auch recht schwer diese konventionellen Sachen zu bedienen. Ich hab dann lieber mein eigenes Ding gemacht und mich an keine Hochschulstrukturen angepasst.
 
Hast du dann dort auch andere Musiker gesucht, mit denen du gemeinsame Projekte angfangen hast?

Ich habe natürlich danach gesucht, aber trotzdem war es sehr schwer da Leute zu finden. Die meisten Studenten haben sich gesagt, wir wollen lieber das machen, was die Hochschule von uns verlangt. Deshalb war ich an der Hochschule eher ein Einzelgänger. Die ganzen freien Projekte haben sich bei mir dann eher nach dem Studium ergeben. Da war ich auch selber mit mir im Reinen und wusste, wo ich hin will. Das fing eigentlich damit an, dass Mario Toppe aka »Tree Tread« ein Reggae-Projekt ins Leben gerufen hat. Er legte Platten auf und ich und Gero Dumrath, der Schlagzeuger von Yellow Umbrella, haben dann dazu gespielt. Ich bin dann zum Gero gegangen und hab ihn gefragt, ob wir nicht auch mal ein paar freiere Sachen machen wollen. Der hat dann erstmal gesagt: »Nee, freie Musik geht gar ni!« Doch dann kam er eines Tages auf die Idee die deutsche Fussball-Weltmeisterschaft frei zu vertonen, ausgehend von dem Spiel Deutschland – Brasilien, ein Drama in drei Akten. Daraus ist dann die Band SDW-Trio entstanden, zusammen mit dem Gitarristen Stefan Jänicke aka Wehrenpfennig. Und danach hab ich beim Alten Wettbüro angefragt, ob man denn nicht einmal einen Abend für experimentelle Klänge veranstalten kann. So hab ich dann auch den Schlagzeuger Max Wutzler kennengelernt, mit dem ich regelmäßig spiele. Und so kam das ins Rollen und jetzt finde ich gefühlt an jeder Ecke immer wieder Musiker, die gerne improvisierte Musik machen.
 
Was gefällt dir besonders an Blasinstrumenten?

Ich finde es sehr schön, dass der Ton eigentlich direkt vom Körper geformt wird. Das Instrument ist nur der Verstärker. Anders als etwa beim Klavier, bei dem man nur die Taste drückt und der Ton ist da. Bei Blasinstrumenten hat man die Möglichkeit seine eigene, ich nenne es mal »Seelentätigkeit«, unmittelbar auszudrücken. Dadurch, dass der Ton direkt im Körper erzeugt wird, bedeutet das auch, dass die innere Welt mit Hilfe des Instruments nach außen getragen wird. Das geht natürlich gewissermaßen mit jedem Instrument, aber wenn ich zum Beispiel traurig bin, dann überträgt sich das direkt auf den Ansatz und somit auf den Ton. Man haucht dem Ton sozusagen Leben ein. Das Klavier merkt das eigentlich nicht. Das klingt einfach. Beim Blasinstrument gibt es auch keine Tonbegrenzungen, man kann einfach durchziehen und etwa auch im Viertel-Ton-Bereich spielen. Außerdem ist das Spielen auch wie ein Sport. Man muss schon sehr fit sein und ich mag es auch sehr an die körperlichen Grenzen zu gehen. Im Studium konnte ich dann auch von Malte Burba eine geschlossene Blastechnik erlernen, bei der ich dann auch mal sehen konnte, was eigentlich alles möglich ist. Interessant finde ich auch, dass die Bauchatmung ja so wichtig ist. Ich sehe da auch einen Bezug zu vielen Meditations- und Yoga-Techniken. Man kann da schon eine innere Ruhe entwickeln und lernt seinen Körper sozusagen ganzheitlich kennen. Schön ist natürlich auch, dass man überall spielen kann. Ich kann meine Posaune einfach mitnehmen, auspacken und auftreten.
 
Wann hast du angefangen, Effektgeräte an dein Instrument zu schließen?

Das war damals bei der »LSS-Crew«, die schon sehr elektrisch gearbeitet haben und wir recht schnell mitbekamen, dass sich ein akustisches Instrument da eher schlecht einfügt. Die haben mein Instrument dann effektiert, also einfach ein Hall und ein Delay draufgelegt. Später wurde mir dann ein Effektgerät geschenkt und ich hab selber angefangen, damit rumzuprobieren. Ich hab mir gesagt: »Ich will das selber in der Hand haben und nicht immer davon abhängig sein, wie mich andere Leute effektieren.« Und so hab ich dann Schritt für Schritt angefangen, mir ein eigenes Arsenal an Geräten zuzulegen.


 
Hast du da auch angefangen elektronische Musik zu machen?

Ja, wir haben damals, vor elf Jahren, immer mit »Fruity Loops« Beats zusammengebaut und später hab ich mir die nötige Hardware zugelegt, um vom Rechner losgelöst zu arbeiten – mit Drum-Machine, Step-Sequencer und verschiedenen Synthesizern.
 
Hattest du Vorbilder oder Musiker, die dich besonders beeinflusst haben?

Vorbilder nicht unbedingt. Ich hab früher sehr viel von der Charles Mingus Big Band gehört, dann hab ich bei Günter »Baby« Sommer viele Freie Improvisationskurse besucht. In Zusammenhang mit der HfM bin ich dann durch die Hochschul Big Band auch in Berührung mit dem Komponisten Hesbos gekommen, mit diesen riesengroße Partituren – 10 Blätter im A3-Format. Und da stehen dann so Sachen drauf wie »Ton wird gespielt als tiefes schlabber schlabb.« Ich höre aber auch sonst viel Freie Musik, etwa von Karlheinz Stockhausen, Georg Lewis, Frank Möbus oder natürlich auch die späten Miles-Davis-Stücke, wo die Musiker zwar schon Strukturen hatten, Klanglaute benutzten aber schon frei improvisierten. Ich lege aber nirgendwo meinen Fokus drauf oder versuche jemanden zu kopieren. Eher suche ich nach Sounds, die dann zum Beispiel nach diesen progressiven Sounds aus den Miles Davis Rock-Fusion-Strukturen der 70er Jahre klingen.
 
Welche Bands, Projekte und Veranstaltungen betreust du zur Zeit?

Ich mache jeden dritten Mittwoch im Monat den »Abend für experimentelle Klänge« im Alten Wettbüro. Dort habe ich den Ansatz aus Leuten, die ich kennengelernt habe, jedes Mal eine neue Band zusammenzustellen. Es treten zwar immer wieder Leute auf, mit denen ich schon einmal was zusammen gemacht habe, aber ich versuche immer eine neue Konstellation zustande zu bringen. Dann gab es eine ganze Weile die Reihe »Schönfeld präsentiert Schönfest.« Das war eine Partyreihe, doch die habe ich erstmal pausiert, weil Partykultur in Dresden nicht unbedingt meinen Vorstellungen entspricht. Das heißt, die meisten Leute kommen nur um sich Techno anzuhören und die gehen dann lieber ins objekt klein a oder in den Sektor. Viele sind da aber verschlossen, was neue Strukturen angeht. Ich wünsche mir da mehr Spielraum, zum Beispiel, dass die Gäste selber das Programm mitbestimmen können und den Raum mitgestalten, wo es nicht nur um den Konsum geht und die Leute sich nur an der Musik berauschen, sondern wo ein stärkeres Miteinander besteht. Letztlich kommen dann bei mir aber auch meistens dieselben Leute. Das ist zwar auch schön, aber da hab ich das Gefühl, dass die Dresdner nicht aufgeschlossen genug sind. Mit dem Schlagzeuger Max Wutzler bin ich in einem eher losen Projekt, bei dem sich Konzepte ergeben, zu denen wir dann verschiedene Leute einladen. Dann mache ich das bereits erwähnte Projekt »SDW-Trio.« Und jetzt ist aus den »Schönfesten« auch die Reihe »Schönfeld präsentiert Schönkonzert« geworden. Auf der Konzertebene habe ich auch eher das Gefühl, dass damit viele Leute angesprochen werden und das ist ein Stück dankbarer. Ich unterrichte auch am Vitzthum-Gymnasium, in der Grundschule Schönfeld, im Musikverein Bannewitz und verschiedene Privatschüler. Das sind meistens Kinder, von 5 bis 18 Jahren, aber ich habe auch einen Schüler, der ist schon 68.
 
Versuchst du deine experimentellen Ansätze auch deinen Schülern nahezubringen?

Nein, mein Unterricht ist eher klassisch orientiert. Ich habe mal versucht ihnen das Freie Improvisieren beizubringen, aber ich hab gesehen, dass es vor allem den jüngeren Schülern tatsächlich zu wenig Strukturen bietet und sie noch nicht die eigene innere Kreativität besitzen, um sich aus den Möglichkeiten der Freiheit selbst etwas zu schaffen. Außerdem gibt es eine ganz starke Zusammenarbeit mit den Schulen und Eltern. Es ist also schon eine zielgerichtete Ausbildung. Am Vitzthum-Gymnasium bespielsweise sollen die Schüler auf die Musikhochschule vorbereitet werden. In Schönfeld ist es ählich. Da sollen die Schüler auf das Schulorchester vorbereitet werden. Beim Improvisieren geht es auch oftmals darum, einfach mal falsch zu spielen, was sich natürlich negativ auf die Technik auswirkt. Das will ich als Lehrer natürlich auch nicht machen. Ich gebe den Schülern aber die Möglichkeit, dass sie ihre eigene Musik mitbringen, die wir dann gemeinsam einstudieren.
 
Was fasziniert dich generell an experimenteller Musik?

Ich finde vor allem den »philosophischen« Hintergrund interessant. Das versuche ich auch in meinen eigenen Veranstaltungen immer wieder umzusetzen. Ich picke mir Leute raus, mit denen ich gerne was machen will. Ich will mich dabei aber nicht profilieren und es ist auch nicht so gedacht, dass ich als Veranstalter mir eine Band einlade und mir dann denke: »Oh, jetzt gibt es ein schönes Konzert.« Sondern der Gedanke dahinter ist, dass man zum Beispiel an der Bar eine Idee hat und die dann gleich versucht auf der Bühne umzusetzen. Ich versuche manchmal auch gezielt die Leute, mit denen ich spiele, dazu zu bringen, anders zu spielen als sie sonst spielen würden. Damit sie auch selbst ein Stück an ihre Grenzen gehen. Ich finde es auch schön, Leute zusammenzuführen, die ich kenne. Wir proben dann vorher nur ein oder zwei Mal und die Leute bringen zwar schon ihre eigene Persönlichkeit mit ein, letztlich geht es dann aber immer um diesen einen gemeinsamen, freien, unkonventionellen Gedanken. Es geht auch darum, die Menschen ein Stück weiter zuammenzuführen, und zu sagen, dass es nicht nur ums Geld geht oder das alles nur auf Vermarktung ausgerichtet ist. Wie sollte auch Freie Musik gemacht werden – die ja auch frei sein soll – wenn sie finanziell gebunden ist? Interessant ist es natürlich, dass auch immer viele Musiker mitmachen, die nicht von der HfM kommen und vielleicht nicht so sehr auf die Technik achten, trotdem aber großartige Musiker sind. Es geht bei den Veranstaltungen immer sehr herzlich zu. Es ist wie eine große Familie, die immer noch größer wird. Und natürlich finde ich es auch immer wieder toll, wenn sich beim Spielen dann das Ego ausschaltet und eine andere Kraft von einem Besitz ergreift und man sich dann auf der Aufnahme wundert, wo diese Sounds eigentlich herkommen.



Weitere Informationen unter: 
www.facebook.com/SDWTrio/

(Das Interview wurde im Auftrag des Dresdner Kulturmagazins geführt.)





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