Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt. Christiane Guhr im Portrait

Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt
Christiane Guhr im Portrait

Als freie Regisseurin hat sich Christiane Guhr vor acht Jahren selbstständig gemacht und anschließend das Theaterkollektiv »Frei-Spieler« gegründet. Zudem macht sie szenische Lesungen mit der Schauspielerin Franziska Hoffmann und spielt regelmäßig in dem Schaukastentheater »Pappschattira«, das sie mit der Illustratorin Anne Ibelings begründete. Ich habe mich mit ihr getroffen, um über ihr neues Stück »Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt« zu sprechen, das am 20. Dezember im Labortheater Premiere feiert.

Das Foto stammt von Ramiro Cotarelo.

Wie bist du zum Theater gekommen? 

Ich bin da reingewachsen. Mein Vater ist Schauspielpädagoge, deswegen bin ich schon von kleinauf ständig im Theater gewesen. Da war es für mich irgendwie ganz selbstverständlich auch etwas mit Theater zu machen. In Leipzig hab ich dann ganz klassisch Theater- und Kunstwissenschaft studiert. 

Warst du dann auch regelmäßig bei Proben dabei? 

Notgedrungen. Wenn keine Kinderbetreuung da war, hat er mich mitgenommen. Als er einmal das Sommertheater inszeniert hat, war ich auch bei allen Proben dabei und konnte dann Shakespeares Sommernachtstraum auswendig. Als das Theater dann abgespielt war, hab ich einen richtigen Wutanfall bekommen. Ich dachte, es geht für immer so weiter. 

Welche Vorteile hat eine freie Theatergruppe? 

Ich hab mich nie fest an einem Theater sehen können, weil mir das zu strikt, zu steif ist. Ich wollte gleich losstarten und eine Gruppe haben. Ich bin jemand, der die Dinge lieber selber in den Händen hält. Mir persönlich wäre auch der Druck zu groß. Ich glaube auch, man ist dann zu sehr von bürokratischen Prozessen abhängig, so dass die eigene kreative Arbeit darunter leidet. Mir ist es lieber mit Leuten zusammenzuarbeiten, die wirklich wollen und mit denen man etwas zusammen schafft. Es ist auch sehr schön zu sehen, wie die Schauspieler sich dann weiter professionalisieren und welche Wege sie dann gehen. 

Deine Stücke erscheinen thematisch recht unterschiedlich. Nach welchen Kriterien suchst du deine Themen aus? 

Die Stücke sind am Ende gar nicht so unterschiedlich. Es dreht sich immer um junge Leute und Probleme, die junge Leute mit der Gesellschaft haben. Merkwürdigerweise spielen sie auch meist in der Drogenszene oder haben irgendetwas mit Drogen zu tun. 

Suchst du dir bewusst diese Themen aus? 

Nein, das ist eher intuitiv. Da ich immer mit recht jungen Leuten zusammenarbeite – die jüngsten waren 18, die ältesten 30 – will ich auch an den Themen junger Leute dran sein. Sie bringen auch immer eigene Inhalte und Ideen mit in die Stücke hinein.

Worum geht es in deinem neuen Stück? 

Das Stück ist angelehnt an den Roman »Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt« von Bernard-Marie Koltès, der selbst eine Außenseiterfigur war. Er war homosexuell und ist mit 39 an Aids gestorben. Er hat fast nur Dramen geschrieben und eben diesen einen Roman. Der ist aber sehr szenisch geschrieben. Den Roman verbinden wir mit dem Film von Gus van Sant »My Own Private Idaho«, einem Stricherfilm, der in Portland spielt. Es geht um Nachtgestalten, die in der Nacht aufleben und am Rande der Stadt wohnen. Das Stück spielt in einer einzigen Nacht und zeigt also nur einen kleinen Ausschnitt aus diesem Milieu. Fünf der sechs Figuren des Stücks sind Junkies, die paranoid sind und denken, dass überall die Polizei auf sie wartet. In dem Buch geht es auch sehr um einen Polzeichef, der die Stadt von den Drogen »säubern« will, was eine Anspielung an die Drogenpolitik von Nixon ist. Durch den Wahlsieg von Trump lassen sich da auch einige Parallelen ziehen. Mal sehen, ob ich das auch mit einbaue. 


Machst du das eigentlich immer so, dass du zwei unterschiedliche Genre miteinander kombinierst? 

Nein, nicht immer. Das ist jetzt aber schon die dritte Arbeit, bei der ich so etwas mache. Die letzte Inszenierung basierte auf zwei Filmen von Fassbinder und Godard. Meine Inszenierung »Rotfuchs« basierte tatsächlich auch auf einem Stück von Koltès: »Sallinger«. Dieses basiert wiederum auf dem Roman »Franny und Zooey« von J.D. Salinger. Durch die Kombination von Buch und Stück ergeben sich dann ganz neue Zusammenhänge. Ich finde das sehr spannend, da man wiederum etwas Neues schafft und sich ganz neue Bezüge und Parallelen ergeben. Besonders interessant wird es, wenn die Stücke zu anderen Zeiten spielen. Wenn man das dann mit der Gegenwart verbindet, zeigen sich überraschend viele Verbindungen, oft über mehrere Jahrzehnte hinweg. 

Baust du auch immer diese aktuellen Bezüge mit ein? 

Ich lege Dinge gerne in die Vergangenheit. Ich will immer aktuell sein, aber nie so, dass ich Leute mit dem Handy auf der Bühne stehen lassen möchte, um sie über Bataclan oder über den IS sprechen zu lassen. Das finde ich zwar auch spannend, aber das ist nicht meine Art. Ich möchte viel lieber, dass die Zuschauer die Parallelen selber spinnen. 

Wie wird die Kulisse für das Stück aussehen? 

Das Stück spielt zum größten Teil in einer Bar. Es wird aber noch mehrere Ebenen geben. Der Rausch und die Drogen sind sehr wichtig, deswegen wird es auch sehr viel Musik geben, die den Rausch darstellen. Arystan Petzold, alias Global Grooves, wird die Sounds machen. Er mischt dabei Weltmusik mit Clubbeats. Vielleicht wird er auch live spielen. Er hat nämlich eigentlich Trompete studiert und später sehr viel mit Schlagwerken herumexperimentiert. 


Vorstellungen am 20./21.12. im Labortheater, 18./19./25.-27.01. im Projekttheater


(Das Interview ist im Auftrag des Dresdner Kulturmagazins entstanden.)  



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