Gewalt hat kein Geschlecht

Gewalt hat kein Geschlecht
Zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Militärhistorischen Museum

Die lang erwartete Ausstellung »Gewalt und Geschlecht. Männlicher Krieg – Weiblicher Frieden?« erblickt nach über zwei Jahren Vorbereitungszeit nun endlich das Licht der Welt. Am 26. April wird die bisher teuerste Ausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr (MHM) eröffnet. 3,2 Mio. Euro hat das Unternehmen bisher gekostet, über 1.000 Objekte und Werke wurden zusammengetragen und ausgestellt. Über 14.000 Jahre Menschheitsgeschichte werden bei dem Mammutprojekt behandelt und auf die wechselnden Rollenverhältnisse zwischen Mann und Frau im Krieg und Frieden hin untersucht. Dabei solle gehörig mit gängigen Klischees aufgeräumt werden, verrät der Chefkurator Gorch Pieken auf Nachfrage.

Foto: PR des MHM. Sylvie Fleury, »First Spaceship On Venus« (1996).

Ausgangspunkt sei dabei der Moment in der Menschheitsgeschichte gewesen, in denen Männer plötzlich mit ihren Waffen begraben worden sind, die von nun an auch nach dem Tod Statussymbole von Macht und Herrschertum darstellten. »Es ist ein Fehlschluss zu denken, dass es Gewalt nur im Krieg gibt. Gewalt gibt es auch im Frieden.« Und die Gewalt sei vielseitig, erklärt Pieken. Oftmals werde sie dazu benutzt, um sich als Herrscher durchzusetzen. Und dieser Herrscher müsse nicht zwangsläufig männlich sein. »Wir haben zahlreiche kriegstreibende, regierende Frauen in der Geschichte gefunden, die keineswegs den Vorstellungen der friedliebende Frau entsprechen.« Oftmals sei diese Macht zwar von männlichen Positionen aus abgeleitet worden, doch vor allem hätten wir es der Geschichtsschreibung zu verdanken, dass weiblichen Herrscherfiguren vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Ähnliches gelte auch für die Rolle von Frauen in der Kunst. Die Ausstellung wird daher mit einem kunstgeschichtlichen Prolog eröffnet. Hier sollen Gemälde von Frauen aus allen künstlerischen Epochen gezeigt werden, die sich mit der Welt und ihren Konflikten auseinander gesetzt haben. »Alle haben gesagt: Das findet ihr nie. Das gibt es gar nicht. Aber wir haben … « Hunderte von Künstlerinnen hat das Kuratorenteam ausfindig machen können, für 55 hätte man sich schließlich entschieden, sagt Pieken, von denen man zusätzlich auch noch Selbstportaits hat finden können. Natürlich wolle man damit auch auf den aktuellen Kunstmarkt aufmerksam machen, sich mit der Position des aus der Oberlausitz stammenden Künstlers Georg Baselitz auseinandersetzen, der behauptete »Frauen malen nicht so gut.« Zudem fehle ihnen die nötige Brutalität, um am Markt bestehen zu können. Die Ausstellung wolle daher gleich mit beiden Klischees aufräumen, so Pieken.

Anspruch sei es auch gewesen eine wissenschaftliche Basis zu schaffen, an der die aktuelle Forschung anschließen kann. So erscheint zur Ausstellung neben des umfangreichen Ausstellungskatalogs auch eine etwa 450 Seiten starke Essaysammlung. Zudem werde »Gewalt und Geschlecht« mit dem Begleitprojekt »Targeted Interventions« ergänzt, die sich auch auf den Außenbereich des MHM ausweitet und Objekte von Künstlern aus sechs verschiedenen Nationen zeigt.

So vielversprechend sich das Konzept auch anhören mag, die Vorbereitungen der Ausstellung standen zunächst unter keinem guten Stern. Die geplante Eröffnung sollte bereits am 14. September 2017 stattfinden, wurde aber nur sechs Wochen zuvor kommentarlos abgesagt. Grund dafür seien interne Unstimmigkeiten gewesen, über die im MHM scheinbar niemand sprechen will. »Über Personalangelegenheiten dürfen wir keine Aussagen treffen«, hört man von den Mitarbeitern. Was nach außen hin vielleicht so wirkt, als würde man etwas verheimlichen wollen, sei aber nur eine Vorschrift der Bundeswehr, die wenig Transparenz bietet, dafür aber viel Platz für Gerüchte und Spekulationen lässt.

Die neue Ausrichtung des MHM, die seit der Wiedereröffnung 2011 durch den ehemaligen Direktor Matthias Rogg und den künstlerischen Leiter Gorch Pieken eingeführt wurde, sei vielen in der Bundeswehr ein Dorn im Auge. Denn das Museum wolle keine Leistungsschau der Streitkräfte mehr sein, sondern kritische kulturelle Positionen zu Krieg und Gewalt beziehen. Auf Matthias Rogg, der sich im Frühjahr 2017 auf eigenen Wunsch hat versetzen lassen, folgte der aktuelle Direktor, Oberstleutnant Armin Wagner. Zwischen dem zivilen Leiter Gorch Pieken und Armin Wagner hätte es von Beginn an inhaltliche Auseinandersetzungen gegeben, heißt es aus vertraulichen Quellen. Ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bestätigt dies. Allerdings habe man sich auf Kompromisse eingelassen, mit denen beide Seiten zufrieden waren, erklärt Pieken. Diese Kompromisse hätten wiederum zu organisatorischen Hindernissen geführt, die die Verschiebung der Ausstellung nach sich zogen. Wagner erklärte daher auch der FAZ, dass eine Absage der Ausstellung zu keiner Zeit in Betracht gezogen wurde, sondern immer nur von einer Verzögerung die Rede gewesen sei. Nichtsdestotrotz hat Gorch Pieken seine Stellung am MHM verloren und wurde nach Potsdam abgeordnet. Die Gründe hierfür seien kompliziert, sagt Pieken, aber weiter könne er sich dazu nicht äußern. Doch er setzt hinzu: »Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meiner Position hier in Potsdam.«

»Gewalt und Geschlecht«, Eröffnung der Ausstellung am 26. April, 18 Uhr; bis 30. Oktober im Militärhistorischen Museum zu sehen. Weitere Informationen auch auf: www.mhmbw.de


(Dieser Artikel ist im Auftrag des Dresdner Kulturmagazins entstanden.)

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