Spuren von Kindlichkeit? Im Gespräch mit KIDS artworks

Spuren von Kindlichkeit?
Im Gespräch mit KIDS artworks

Kids artworks, das sind Catharina Andersen und Christian Brix, zwei junge Designer, die sich im Mai 2010 zu einem gemeinsamen Label zusammengeschlossen haben. Die beiden Dresdner bewegen sich vorwiegend im Bereich Merchandising, gestalten T-shirts, Beutel und Coverdesigns, legen aber Wert darauf sich ihre eigene Selbstständigkeit zu bewahren. Wie sie das in der modernen Werbewelt der Mediengeneration schaffen wollen, haben sie uns im persönlichen Gespräch verraten. 


Das Marketing geht heutzutage bereits in die Richtung, dass mehr Geld für Werbung als für die Produktentwicklung selbst ausgegeben wird. Die Nachfrage für Werbedesigns wächst damit zusehens und erfordert eine immer schnellere Herstellungsweise, weshalb die meisten Werbefirmen auf „einfache“ Computerprogramme zurückgreifen, um Flyer, Plakate etc. herzustellen. Aber es gibt immernoch zahlreiche Widerständler, die sich dem Mainstream entgegenstellen und weiterhin analog arbeiten. KIDS artworks gehören zu jenen, die den Traditionen des Handwerks treu bleiben und trotzdem voller Optimismus der Zukunft entgegensehen.

Die Produktpalette ist breit und reicht von Stickern, über Patches, T-Shirts und Stoffbeutel bis hin zu Fanzines, Graphic Novels und Merchandise für Freunde und Kunden. Letztere sind vor allem Musiker, die sich über die Gestaltung ihrer CDs und Merchandisingartikel ein persönliches Image zulegen wollen. Gemeinsam suchen sie dann nach Lösungen, um den Wünschen der Kunden in Sachen Message und Look gerecht zu werden, obwohl sie es doch anstreben ihren eigenen Stil zu bewahren. „Wir können natürlich nicht einfach unsere Message in die Produkte integrieren“, versichert uns Catharina „aber in dem Kundenkreis, den wir ansprechen wollen, sind meist schon ähnlich denkende Menschen zu finden.“ Christian setzt hinzu: „Wir versuchen immer unsere Stimmung mit einzubringen bzw. es geschieht von ganz allein. Das kann man dann sehr gut mit den Kundenwünschen kombinieren, und zwar so lange bis der Kunde zufrieden ist, sei es mit der Message oder dem Look.“ 

 

Die beiden Designer legen bei ihren Arbeiten großen Wert auf vielfältige Herstellungstechniken, um sich möglichst spielerisch in vielen Bereichen weiterentwickeln zu können. Durch Malerei, Fotografie, Siebdruck und Spraypainting bieten ihre Arbeiten ein hohes Maß an Abwechslungsreichtum. Oberstes Gebot bleibt jedoch, dass jedes Produkt in mühevoller Handarbeit selbst hergestellt wird. Sogar ihre Fotografien entwickeln sie in der Dunkelkammer selbst und werden gegebenenfalls von Hand nachbearbeitet. „Das Handwerk ist uns sehr wichtig, weil dadurch die Handschrift des Künstlers besser zum Ausdruck kommt“, verrät uns Christian und macht hierzu auf die recht offensichtlichen Unterschiede zwischen digitalen und analogen Arbeiten aufmerksam.

Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die individuelle Handschrift des Künstlers nicht auch durch die Arbeit am PC zu Tage tritt - aber darum geht es KIDS am Ende gar nicht. Sie versuchen vielmehr die sterile Arbeitsplatte der digitalen Welt zu verlassen, um den lebensweltlichen Umgang mit dem Material wiederzufinden. Ganz bewusst wollen sie damit den schlaffen Kopien der Konsumgesellschaft entfliehen, die ihre Produkte zu bloßen Gebrauchsartikeln herabwürdigt. „Das Produkt steht im Vordergrund!“, verkündet Catharina und meint damit den künstlerischen Eigenwert, der bei den meisten kommerziellen Waren eher in den Hintergrund gedrängt wird. Alle Sachen sind daher streng limitiert, um einen gewissen Seltenheitswert zu gewährleisten. 

 

Aber sich ausschließlich dem Massenkonsum entgegen zu stellen, ist KIDS nicht genug. Immerhin ist eine solche Aussage bereits zum abgedroschenen Topos geworden und man findet fast keine Subkultur mehr, die sich nicht ähnliche Statements auf die Fahnen schreibt. Der Oberflächlichkeit entgegen findet man bei dem Designerlabel ein ausgeklügeltes Konzept an moralisch-ethischen Bedingungen, die zur Maßregel bewussten Arbeitens geworden sind. „Es spielen gewisse Werte eine Rolle“, sagt uns Catharina „Zum Beispiel Nachhaltigkeit. Wir stellen uns zur Zeit darauf um, ausschließlich Fairtrade gehandelte Materialien zu verwenden, um unsere Produkte herzustellen. Dazu gehören nicht nur Textilien, sondern auch recyceltes Papier.“ Auch bei den von ihnen organisierten Veranstaltungen bieten sie lediglich vegetarisches Catering an, um auf Massentierhaltung und unethischen Konsum aufmerksam zu machen. Sie handeln dabei aber keineswegs doktrinär, weshalb man meinungsmachende Parolen und erhobene Zeigefinger vergeblich suchen wird.

Ganz im Gegenteil – ihr Stil ist eher ein ganz unterschwelliger. Die zunehmende visuelle Übersättigung im Zeitalter des Iconic Turn trägt vor allem in der Werbebranche ihre bitteren Früchte. Die Sehgewohnheiten haben sich geändert und führen zum systematischen Ausblenden zahlreicher Informationen. Dessen muss man sich natürlich bewusst sein, um auf sich aufmerksam zu machen. KIDS legen daher überall (nicht nur in Dresden) etliche Spuren. Sie plakatieren, verkleben Sticker und verkaufen, wo es nur geht, ihre Produkte. Allerdings sind die Plakate und Sticker keine wirklichen Werbeträger. Wenn überhaupt findet sich auf ihnen nur der Name ihres Labels, was den Blick des Eingeweihten öffnen soll. Dem Uneingeweihten jedoch eröffnet sich lediglich ein unbestimmtes Gefühl der Neugier, denn die eigentliche Werbung stellen die Produkte selber dar, die durch Habitus und Qualität überzeugen sollen. Der Wiederholungseffekt der Werbeträger kommt somit lediglich durch ein kindliches Spiel mit den Konventionen der Werbung zustande. Man freut sich regelrecht, wenn man ein Produkt oder ein Plakat von KIDS auf den Straßen entdeckt, die meist ganz unscheinbar und ohne großes Geschrei an oft unscheinbaren Orten verborgen liegen. Doch trotz des Verzichts auf jegliche Aufdringlichkeit und Penetranz funktioniert das Konzept. Sehr oft sogar werden die beiden in den Straßen auf ihre Designs angesprochen, was nicht selten zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit führt.

 

Auch sonst soll ein großer Teil der Arbeit auf der Straße stattfinden, da hier auf das Publikum zugegangen wird. Die Menschen kommen in Kontakt mit den künstlerischen Arbeiten ohne viel darüber zu wissen und gewöhnen sich peu à peu an diese Form der Ästhetik. Ebenso bietet Streetart ganz neue Möglichkeiten, um Botschaften zu vermitteln oder Werbung zu machen. Ein Plakat muss nicht mehr viereckig sein, sondern kann auch in Form eines Stencils oder Paste-Ups in Erscheinung treten. Somit gewinnen die Plakate wieder an künstlerischer Eigenständigkeit und bleiben nicht mehr nur Träger bloßer Werbebotschaften. Catharina erzählt weiter: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir in anderen Zeiten leben und dass es dieses klassische Plakat vielleicht nicht mehr gibt. Auch Werbemittel entwickeln sich weiter und wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass in Zukunft häufiger tapeziert wird, mehr gesprüht wird, dass es Teil unserer Zeit und Teil unserer Kultur ist.“ – Und diese Aufgeschlossenheit den neuen Möglichkeiten gegenüber ist es auch, die in das Label mit einfließen sollte, denn KIDS will vor allem junge Leute ansprechen, die Lust auf das Besondere haben, die neugierig bleiben wollen, viel Wert auf Ästhetik legen und die nun schon langsam müde und gelangweilt von dem oberflächlichen Trash geworden sind. Es soll wieder frischer Wind in der Medien- und Künstlerszene wehen. Sinnbildliches Vorbild bieten hier natürlich die Kinder, die durch ihre Instinktivität und Offenheit überzeugen, deren Blick nicht nur unvoreingenommen, sondern auch gerade wissend ist, den die meisten Leute aber im Laufe ihres Lebens verloren haben. Christian bekräftigt: „Wir sind jung und wollen auch jung bleiben. Das sollte auch in das Konzept des Labels mit einfließen – überhaupt das Konzept eines jeden Labels sein. Das heißt: Aufgeschlossen und spielerisch an die Dinge herantreten und ganz ehrlich seine Sichtweise offenlegen.“ Nicht selten finden daher auch Kinder den Weg in die Arbeiten der beiden, um gerade jene Eigenschaften aufzuzeigen, die ihnen so wichtig sind. Vor allem die Malereien wirken wie Seelenlandschaften aus den Fantasiewelten von Kindern. Öfters haben sie Witz, etwas Zauberhaftes und Verspieltes, aber auch etwas Dunkles, etwas Unsicheres, ja sogar etwas Bedrohliches an sich, das die Zerbrechlichkeit des Betrachters und des Dargestellten zunehmend in den Vordergrund rückt.
 

Doch wenn uns die beiden gegenübersitzen, bemerkt man nicht viel von der scheinbaren Unsicherheit. Vielmehr fordern sie die Dresdner Kunstszene dazu auf aus sich herauszutreten und sich zu vernetzen: „Es passiert hier eigentlich ganz, ganz viel, vielmehr als ich auch dachte. Dennoch entdeckt man die Kunst nur sehr schwierig...alles alt eingesessen. Ich glaube das Problem daran, dass man nichts davon mitbekommt, ist einfach die Vermarktung“, macht uns Catharina deutlich. Schließlich sei es nicht einfach seine Kunst zu vermarkten ohne sich selbst zu verkaufen. Dazu bedarf es schon eines Kollektivs, um gemeinsam zu wachsen. Im Internet bleibt man natürlich in Kontakt, aber eine Institution im öffentlichen Raum für den Verkauf und die Ausstellung der Werke scheint unverzichtbar. Daher soll es auch in Kürze eine Produzentengalerie geben, die nicht nur als Atelier genutzt werden soll, sondern ebenso als Anlaufpunkt dienen, um mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten und gemeinsam Ausstellungen zu organisieren. „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Galerien die eingereichten Arbeiten nicht einmal einsehen, wenn man nicht studiert hat. Das ist wirklich schade, weil man für etwas bewertet wird, was in diesem Moment gar nicht wichtig sein sollte. Das kenne ich aus anderen großen Städten anders“, kritisiert Catharina mit leicht gekränktem Blick, doch mit der Gewissheit, dass sich bald etwas ändern wird. - Wir bleiben gespannt. 

Weitere Informationen unter: 

www.kidsartworks.wordpress.com

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