Punk-Rock in der DDR

Punk-Rock in der DDR
Zu PM Hoffmanns und Bernd Lindners Comic »Anders sein oder Der Punk im Schrank«

Sie spielen in ranzigen Kellerclubs und Abrisshäusern, färben sich die Haare mit einem Mittel gegen Fußpilz und spielen auf selbstgebauten Instrumenten. Junge Punks in der DDR gab es anfänglich nicht sehr viele, doch das reichte aus, um Stasi-Chef Erich Mielke ordentlich ins Schwitzen zu bringen. 1983 forderte er deshalb mehr »Härte gegen Punk!«, was zu einer zeitweiligen und fast völligen Zersetzung der Szene führte, die sich aber langsam wieder erholte. Bis 1988 gar so weit, dass einige Punk-Bands bereits eigene Platten aufnehmen durften. Mit dem Dokumentarfilm »Flüstern und Schreien« hat es der Punk dann sogar auf die Leinwände der DDR geschafft.


Der Comic im Graphic-Novel-Stil »Anders sein oder Der Punk im Schrank« von PM Hoffmann und Bernd Lindner erzählt am Beispiel der fiktiven Band »Die Haftung« die Geschichte der Punk-Musik in der DDR von den Anfängen zum Ende der 70er Jahre bis in die Nachwendezeit hinein. Es mag zunächst verwundern, weshalb die beiden Autoren die Geschichte einer fiktiven Gruppe erzählen, obwohl es doch genug interessante, echte Bands gab. Doch die Entscheidung macht Sinn, denn so konnten sie in dem verhältnismäßig schmalen Büchlein, die ganze Bandbreite der recht übersichtlichen Szene darstellen. 

Die vier Jugendlichen »Thumult«, Vera, »Schrank« und »Abgang« lernen sich im Leipzig der 80er Jahre kennen, wo sie gemeinsam solche Musik machen wollen, wie ihre Vorbilder von »The Clash« aus Großbritannien, die sie im West-Radio gehört haben, oder die sie von den Bands aus den DDR-Punk-Hochburgen in Halle, Berlin und Erfurt kannten. Nach ersten Konzerten in Kellern und Kirchen schaffen sie es bis zum legendären Jarocin-Festival in Polen, bei dem sie spontan auftreten dürfen. Schnell geraten sie unter Beobachtung der Stasi. Ihre Band wird aufgelöst und der Ich-Erzähler »Thumult« muss in den Stasi-Knast nach Bautzen. Er wird aber von der Bundesrepublik freigekauft. Anschließend kommt er in seiner neuen Heimat West-Berlin mit der hiesigen Szene in Kontakt, die schon etwas anders tickt, als die im Osten. 

Anschaulich, emotional und informativ erzählt »Anders sein oder Der Punk im Schrank« den Lebensalltag von unangepassten Jugendlichen in der DDR und vermittelt ein authentisches wie lebendiges Bild der Punk-Kultur in Ost und West. Das Buch eignet sich daher nicht nur für Fans und Szene-Kenner, sondern ist durch seine saubere Recherche, das umfangreiche Glossar und das angehängte Essay »Punk in der DDR« sogar für den Schulunterricht geeignet. 



(Der Artikel für das Dresdner Kulturmagazin entstanden.)


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