Die Arbeit an den Ökomythen

Die Arbeit an den Ökomythen
Kolumne von Stephan Zwerenz 

Schmutziger noch als Verbrennungsmotoren und Kohleenergie sind die Hetzkampagnen, die gegen E-Autos und das ohnehin schon viel zu lasche Klimapaket geführt werden. Verwunderlich ist das nicht, schließlich zeichnet sich die Bundesregierung in der Energiewende wieder mal durch Unentschlossenheit aus. Statt auf die Bedürfnisse der Verbraucher zu achten oder auf Ratschläge von Umweltverbänden zu hören, werden Hals über Kopf vor allem die Interessen der Lobbyverbände verwirklicht und Ökomythen unhinterfragt nachgeplappert. 


Von außen sieht es nicht so aus, als ob die Energiewende systematisch angegangen wird. Vielmehr wird bei der Verwirklichung von Klimapaket und Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) widersprüchlich argumentiert und gegeneinander gearbeitet. 

Falsche Ökomythen verhindern stabiles System 

Die Umstrukturierungspläne der Energiewende kann man soziologisch betrachtet als ein komplexes System beschreiben. Eine der Grundlagen der sogenannten Systemtheorie lautet allerdings, dass man beim Aufbau komplexer Systeme auf ein Mindestmaß an Kontinuität achten muss. Diese kann nur durch eine funktionierende Kommunikationsstruktur gewährleistet werden. Wenn nun aber stets falsche Ökomythen geschaffen werden, die bei der Argumentation in den Landtagen und dem Bundestag herangezogen werden, kann definitiv kein stabiles System erzeugt werden, das zur Schaffung eines planvollen Handelns notwendig wäre. 

Ein Beispiel zeigt sich etwa bei der CO2-Bilanz für Elektro-Autos. Immer wieder wird vorgebetet, dass diese bis zu einem gewissen Kilometerstand schlechter ausfällt als bei Verbrennungsmotoren. Das mag stimmen, wenn die dafür genutzte Energie in Kohlekraftwerken produziert wird. Dummerweise arbeitet die CDU-Regierung aber auch daran, dass diese CO2-Bilanz beibehalten wird. Beinahe fanatisch wird an der Braunkohle festgehalten und auf die deutschlandweit 20.000 Arbeitsplätze verwiesen, die bei der Umstellung auf saubere Energien wegfallen würden. 

Hauskatzen schädlicher als Windräder 

Im Vergleich dazu sind übrigens in der Solarbranche in den vergangenen Jahren 80.000 von insgesamt 140.000 Arbeitsplätzen weggefallen, weil Peter Altmaier die Tarife für neue Solaranlagen drastisch gesenkt hatte. Zudem wurde der Ausbau für Photovoltaik-Anlagen auch noch gedeckelt.

Der Windenergie droht nun Ähnliches. 35.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, weil Populismus den Widerstand von Anwohnern befeuert, die sich gegen Windparks zur Wehr setzen. In einer ihrer Lieblingsmythen werden Windräder als regelrechte Schredderanlagen für umherfliegende Vögel dargestellt. Zugegeben, laut Naturschutzbund NABU sterben jedes Jahr zwischen 10.000 und 100.000 Vögel durch Kollisionen mit Windkraft-Anlagen. Im Gegensatz dazu aber verenden über 18 Millionen Vögel durch Zusammenstöße mit Glasflächen. 

Und auch unsere durch und durch knuffige Hauskatze schnetzelt mehrere Millionen Vögel im Jahr. Doch niemand kommt auf die Idee, Katzenvideos zu verbieten, weil sie diese blutrünstigen Bestien verherrlichen. Statt mit sinnvoller Aufklärung reagiert die Politik lieber mit pauschalen Mindestabstandsregelungen, die nun den Ausbau der Windenergie ins Stocken bringt, obwohl es laut NABU sinnvoller wäre, Windanlagen einfach nicht in die Nähe von Brutplätzen zu stellen. 

Andere Länder bei erneuerbaren Energien vorn 

Aus Angst die eigene Macht zu gefährden, werden jährlich natur- und klimaschädigende Subventionen von 55 Milliarden Euro getätigt (laut Bundesamt für Naturschutz), anstatt sich effizient um den Umweltschutz oder um die Sicherung von Arbeitsplätzen zu kümmern. Deutschland bewegt sich dabei in seine eigene wirtschaftliche Rückschrittlichkeit und Sachsen macht an vorderster Front mit. Andere Länder haben uns beim Thema erneuerbare Energien schon längst überholt, obwohl wir in diesem Sektor eigentlich mal eine Vorreiterstellung hatten. 


Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat letzte Woche das von der CDU/CSU verwässerte Klimapaket als eine „Inländer-Diskriminierung“ bezeichnet. Da es bereits europäische Regelungen von CO2-Zertifikaten gebe, seien diese auf nationaler Ebene überflüssig. Was er dabei zu vergessen haben scheint, ist zum einen, dass Deutschland immer noch der sechstgrößte CO2-Produzent der Welt ist und zum anderen, dass auch andere EU-Länder schon längst eine CO2-Steuer zahlen. Insgesamt sind es sogar 14 Länder, die Varianten einer CO2-Abgabe auf Grundlage der EU-Energiesteuerrichtlinie eingeführt haben. Davon zahlen vier Länder eine konkrete CO2-Steuer, nämlich Schweden (1991), Slowenien (2002), Frankreich (2014) und Großbritannien (2019). Deutschland hinkt hier also mal ordentlich hinterher. 

Hetzerische Meinungsmache 

Aber was will man erwarten, wenn selbst seriös wirkende Nachrichtenmagazine wie Focus online regelrechte Hetzkampagnen starten, um den Hass auf die Fridays-for-Future-Bewegung zu schüren. Im Sommerloch dieses Jahres hatten die zuständigen Redakteure anscheinend nichts besseres zu tun, als fast jeden Tag über Greta Thunberg zu berichten, obwohl es gar keine Neuigkeiten von ihr gab. Focus online ließ sich sogar soweit herab, FFF mit den Kinderkreuzzügen von 1212 zu vergleichen. Das wurde von einer bestimmten Klientel auch sehr gut angenommen. Die Kommentarspalten in den sozialen Medien quollen dementsprechend über vor Hass auf die Klimaaktivisten. Das ist nicht nur Boulevardniveau, sondern hetzerische Meinungsmache. 

Ein weiteres Paradebeispiel lieferte die Bild-Zeitung vorletzte Woche. Sie titelte „Grausam! Kinder in Afrika müssen für E-Autos schuften“. Natürlich ist Kinderarbeit ein wichtiges Thema, das für die Bild allerdings erst dann interessant zu werden scheint, wenn man es für politische Hetze benutzen kann. Fakten und Hintergründe sucht man natürlich vergeblich oder etwa den Verweis, dass gerade einmal 5% des abgebauten Kobalts für E-Autos verwendet werden. Der Großteil geht nämlich für Legierungen, Magnete, Handyakkus und Dieselkraftstoffe drauf. 

Wasserstoff als Antrieb? 

Andererseits ist es auch fragwürdig, warum gerade hierzulande fast ausschließlich über Elektro-Autos berichtet wird, kaum aber über Schiffe mit Elektromotoren (die es nämlich auch gibt) oder über wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, die sogar die leistungsfähigeren Motoren und die größeren Reichweiten haben. Zudem können sie einfach aufgetankt werden. Mercedes ist bisher der einzige Anbieter in Deutschland, der ein Auto mit Brennstoffzelle bauen will. Forschungsgelder gibt es verhältnismäßig wenige. 

Hans Blumenberg stellte die These auf, dass wir nur an Mythen glauben, weil wir uns einer chaotischen Welt ausgesetzt sehen, vor der wir uns fürchten. Der Klimawandel kann Angst machen, denn er prophezeit nicht weniger als unser eigenes Ende. 

Die Untergangsprognose verändert 

Doch ein System, das seinen eigenen Untergang prognostiziert, verändert das System bereits durch diese Prognose, sagte Niklas Luhmann. Er stellte dabei die Frage, wie wir unser Handeln nach objektiven Maßstäben ausrichten können. Seine Antwort lautete, dass dies in einem komplexen System nur durch eine vielfältige Kommunikation möglich ist, bei der sich die Sprecher selbst darüber bewusst sind, wie sie die Welt beobachten. Nur so können sie sinnvoll auf Änderungen reagieren. 

Wer allerdings seine eigenen Prognosen ignoriert, arbeitet damit an seinem eigenen Untergang. Wer emotional, irrational und widersprüchlich argumentiert, gefährdet die Stabilität des Systems und die Verwirklichung der eigenen Ziele. 

(aus der Kolumne bei Flurfunk) 

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