Szenenwechsel

Szenenwechsel
Die Szenenbildnerin Nadja Götze im Portrait

Nadja Götze baut und entwirft Szenenbilder. Mit sehr viel Leidenschaft legt sie großen Wert auf lebendige und authentische Kulissen, die bis ins Detail stimmen und eine filmisch dichte Atmosphäre erzeugen. Nadja Götze, die mal als Production Designer und mal als Art Director arbeitet, findet es wichtig, dass auch bei Laien ein größeres Interesse fürs Szenenbild geweckt wird. Meist seien sich nämlich viele Zuschauer nicht darüber bewusst, dass sich jemand darum kümmert, einen Drehort so aussehen zu lassen, als hätte es ihn schon immer gegeben.

Mit 30 Jahren hat Nadja Götze bereits eine erstaunliche Karriere hinter sich
und an Produktionen wie „Jugend ohne Gott“, „Jonathan“ oder „Werk ohne Autor“ mitgearbeitet. Foto: Hans Götze

Als Production Designer (dt. Szenenbildner) hat sie die Hauptverantwortung über Kulissen und Drehorte, die entweder im Studio neu entstehen oder mit Hilfe von Location Scouts gesucht werden. Der Production Designer entwirft den ganz individuellen Look des Films. Ein gutes Setting muss sowohl einen ersten Gesamteindruck vermitteln, aber eben auch bis ins Detail stimmen. 

Nach den ersten Entwürfen kommt der Art Director (dt. künstlerischer Leiter) ins Spiel, der in erster Linie für die Umsetzung des Baus zuständig ist. Das umfasst technische Zeichnungen und Entwürfe, ebenso auch Aufgabenbereiche wie Personal- und Zeitmanagement, die Koordinierung von Materialtransporten, sowie die Einhaltung von Arbeits- und Brandschutz. Nach dem Bau des Sets kommt der Patineur (spezialisierter Maler) zum Einsatz, der die Oberflächen behandelt. „Die Arbeit des Patineurs wird meistens unterschätzt. Er verleiht allen Oberflächen eine atmosphärisch dichte Stimmung. Das können Wasserschäden, abgegriffene Oberflächen sein oder auch vergilbte Vorhänge.“ Parallel dazu kümmert sich der Set Decorator um die Einrichtungsgegenstände für das Interior und Exterieur (Möbel, Teppiche, Lampen, Requisiten), der Propmaster um die Spielrequisiten. Alles geschieht in Absprache mit dem Production Designer. „Es gibt ganz viele Departments, die ineinandergreifen und die reibungsfrei funktionieren müssen. Das ist die große Herausforderung.“ Erst wenn alles steht, wird Beleuchtung und Kamera installiert, die Schauspieler betreten das Set und die Szene kann beginnen. 

Bei dem mit dem Clio Award ausgezeichneten Werbespot „Tears in Heaven“ war Nadja Götze für das Szenenbild verantwortlich. © Park Pictures

Wie das Zusammenspiel zwischen Production Designer und Art Director im Detail aussieht, ist von Person zu Person unterschiedlich, verrät Götze: „Große Sets entwirft immer der Production Designer. Manche wollen eher alles alleine entwerfen oder mit den Concept Artists zusammenarbeiten, die die ersten großformatigen Konzeptideen zeichnen. Am Ende setzen sie ihren Stempel unter die gesamte Arbeit. Andere aber geben auch kleine Sets ab und der Art Director kann dann manche Teile selber entwerfen.“

Nadja Götze will aber vor allem als Szenenbildnerin arbeiten und den kreativen Schaffensprozess von der ersten Idee auf dem Papier bis zur fertigen Szene im Film mit begleiten. Aufgewachsen ist sie in Dessau. Später ist sie mit ihrer Familie nach Moskau gezogen und hat an der Kunstschule Moskau Kunstunterricht genommen. Die Faszination fürs Szenenbild wurde bei ihr schon sehr früh geweckt, nämlich auf dem Kunst-Internat Wettin, als sie mit Klassenkameraden eine Sterbeszene für einen Kurzfilm drehen wollte. Mit hochgehaltenem Teppich (Sprungwand) wurden unpassende Räumlichkeiten provisorisch abgedeckt. „Mir wurde bewusst, dass man ja im Film alles einrichten muss oder sich eben andere Locations suchen.“ Anschließend hat sie sehr zielstrebig an ihrem Traum gearbeitet. Vorbereitend auf das Studium Szenenbild hat sie in Wien Architektur an der Akademie der Bildenden Künste studiert und währenddessen am Burgtheater als Bühnenbildassistenz gearbeitet. „Nach dieser Theatererfahrung hatte ich die Entscheidung getroffen, zum Film zu gehen. Der Grund dafür liegt darin, dass man im klassischen Theater immer von einem Sitz aus in das Bühnenbild hineinsieht. Aber beim Film ist man meistens durch das Kameraauge direkt im Set drin. Die Kamera fährt über die Tapete, über die Schränke und zieht den Betrachter somit ins Werk hinein.“ 

Zeichnung für das Szenenbild des Kurzfilms „Post-War Romance“ © Nadja Götze

Deshalb hat sie nach Abschluss des Architekturstudiums Szenenbild bei Silke Buhr („Poll“, „Das Leben der Anderen“) an der Filmakademie Baden Württemberg studiert. „Da kann ich Ludwigsburg nur empfehlen. Da wird man wirklich gefordert. Man bekommt seine eigene Werkstatt und muss gleich anfangen selber zu bauen.“ Und vor allem hat sie während des Studiums auch schon als Art Director an großen Produktionen mitgearbeitet. 

„Das tolle an dem Job ist“, sagt Nadja Götze. „Es ist immer ein Strudel aus Erlebnissen. Es ist immer anders. Man hat immer mit anderen Leuten zu tun. Man taucht in verschiedenste Geschichten ein, lernt Orte kennen, an denen man nie war und die es nach Drehschluss auch nicht mehr geben wird. Man schnuppert in die Leben anderer Menschen und Geschichten hinein und das ist unglaublich spannend. Man beschäftigt sich mit fast allem: mit alltäglichen Dingen, Kunst, Architektur, Kameraeinstellungen, Licht … Passt das Kostüm zur Tapete? Wie wirkt die Hautfarbe auf die Wandfarbe? ... vielleicht ist es einfacher sich zu überlegen, womit sich ein Szenenbildner nicht befassen muss.“ Am spannendsten sei aber, dass stets die Fantasie gefragt sei. „Man muss sich immer etwas Neues ausdenken, schließlich hat man ja kein Buch, in dem alles drinsteht. Bei jeder Produktion kommt man an den Punkt, dass man vor eine Herausforderung gestellt wird, die man vorher noch nie hatte.“

Der Mentos-Werbespot „The Man with the Coin“, bei dem Nadja Götze das Szenenbild gemacht hat,
wurde gleich mit mehreren Preisen ausgezeichnet. © Schall & Rauch

Kurz nach dem Studium wurde sie für andere Projekte mit mehreren Preisen ausgezeichnet und ist nach Berlin gezogen. Auf die Frage, wo sie jetzt eigentlich wohne, antwortet sie: „Ich habe manchmal das Gefühl, ich wohne überall, nur nicht zu Hause“, und lacht. Offiziell aber lebt sie seit 2018 in Leipzig. 

Momentan arbeitet Nadja Götze als Art Director an der Serie „Frieden“ für Zodiac in Zürich. Nach Sachsen sei sie in erster Linie aus persönlichen Gründen gezogen. Sie finde die Szene aber spannender als in Berlin, weil man hier mehr Chancen habe auch eigene Projekte zu realisieren. „In Leipzig bin ich sehr warm aufgenommen worden. Berlin ist halt groß. Es wäre natürlich viel einfacher, wenn es mehr Angebote auch in der Heimat gäbe, zumal ich großes Potenziale in Leipzig und Dresden sehe. Das würde die Arbeitsbedingungen, wie auch die Lebensqualität in Hinblick auf die Zukunft erleichtern.“

„Mit ‚Frieden‘ komme ich demnächst nach Crimmitschau, um im Westsächsisches Textilmuseum zu drehen. Es gibt viele spannende Orte, Geschichten und mitteldeutsche Themen, welche verfilmt werden sollten. ‚Gundermann‘ und ‚In den Gängen‘ sind für mich gelungene Beispiele dafür mit pessimistischen regionalen Themen umzugehen, ohne dass dabei pessimistische Filme herauskommen. Hier wird das Regionale auf sympathische Art und Weise in Szene gesetzt. Das Publikum wird aufgeweckt und Themen bearbeitet, die die Menschen vor Ort bewegen. Das schafft kulturelle Identität und Zugehörigkeit. Also bitte mehr von diesen Filmen!“



(Dieser Text ist für das Fachblatt AUSLÖSER vom Filmverband Sachsen e.V. entstanden.)


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