Zwischen Freiheit und Sicherheit

Zwischen Freiheit und Sicherheit
Tolerave e.V. hat mit »NO-GO!« eine Kontaktstelle für Diskriminierung im Nachtleben eingerichtet

Egal ob nächtlicher Kneipen- oder Clubbesuch, der Ausflug aufs Festival oder der Besuch des Stadtteilfests – das Nachtleben bringt Menschen zusammen. Doch wo Menschen zusammenkommen entstehen auch Konflikte und es kann zu Vorfällen von Diskriminierung, Benachteiligung oder der Herabwürdigung von Einzelpersonen kommen. Besonders betroffen sind vor allem Frauen und Ausländer, aber auch Menschen mit Behinderung, Transgender und Homosexuelle. Die Liste kann noch beliebig weitergeführt werden. Diskriminierungserfahrungen hat vielleicht nicht jeder schon einmal am eigenen Leib erlebt, viele wurden aber zumindest einmal Zeuge davon. Wie verletzend dabei Erfahrungen empfunden werden, kann sehr unterschiedlich sein. Eine intime Berührung kann in der einen Situation mit einem Lächeln abgewiesen werden, auf eine andere Person aber übergriffig wirken etwa bei Frauen, die beispielsweise schon einmal Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind.

Lennart Happe vom Tolerave e.V.

Der Dresdner Tolerave e.V. hat nun eine Kontaktstelle eingerichtet, um Diskriminierungsvorfälle speziell im Nachtleben melden und thematisieren zu können. Ihr Ansatz dabei ist, zunächst einmal herauszufinden, wo die jeweiligen Probleme liegen und dann Veranstalter direkt anzusprechen, sich mit ihnen auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Lennart Happe von Tolerave betont, dass es sich bei »NO-GO!« nicht um eine Beratungs- sondern um eine Vermittlungsstelle handelt, die eine Lücke zwischen Veranstaltern und Opfern von Diskriminierung schließen soll, um die Gesamtsituation im sächsischen Nachtleben strukturell und nachhaltig zu verbessern. Selbstverständlich wird das Opfer mit seinen Erfahrungen nicht allein gelassen, sondern im Bedarfsfall an professionelle Beratungsstellen, beispielsweise die der RAA Sachsen, weitergeleitet.

Dabei sei es wichtig, dass niemand das Gefühl bekomme, dass man jemanden denunzieren oder bloßstellen wolle. Mit den Hinweisen, den die Betroffenen an die Kontaktstelle weiterleiten, werde vertrauensvoll und respektvoll umgegangen. »Wir können und wollen auch gar keinen Druck ausüben«, erklärt Happe. »Es geht uns in erster Linie darum, dass man die Probleme der Betroffenen ernst nimmt und sie an die Betreiber weiterleitet. Im Idealfall kann man einen Prozess anstoßen, der die Situation nachhaltig verbessert. Das können die Opfer natürlich niemals alleine leisten. Sie haben genug mit ihren eigenen Problemen zu tun.«

Einen Lösungsansatz könnte etwa das Aufstellen von sogenannten Awareness-Teams bieten, die als Vertrauenspersonen fungieren und eine Schnittstelle zwischen Opfer und Security-Personal bilden. »Schließlich ist die Hemmschwelle intime Details preiszugeben ziemlich hoch, vor allem gegenüber dem Sicherheitspersonal. Das Personal wiederum ist froh darüber, dass sie in den Awareness-Teams zuverlässige Ansprechpartner haben, auf die sie sich verlassen können.« Welche Sicherheitsstrategien sinnvoll sind, müsse aber von Fall zu Fall abgewogen werden. Dafür brauche es neben der Evaluation von Vorfällen auch Schulungen, die überhaupt erst einmal ein Problembewusstsein schaffen, zum Beispiel was das Thema rassistische Türpolitik betrifft. »Ich glaube nicht, dass man das Rassismusproblem an Türen vernachlässigen sollte, nur weil ein anderes Problem dringender erscheint«, gibt Happe zu bedenken. Probleme müssen bei ihrer Arbeit gleichwertig behandelt werden. Es solle aber stets auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet werden. »Es geht uns nicht primär darum, den Leuten zu sagen, was sie tun und was sie nicht tun dürfen. Es geht darum, einen Zustand zu erreichen, in dem sich Menschen wohlfühlen und in dem es zu solchen Vorfällen nicht mehr kommt.«

Weitere Informationen unter: www.tolerave.de/aktuelles/no-go-kontaktstelle-kurzberatung und unter www.raa-sachsen.de Telefon No-Go! 0351 30 917 285 immer Di 16-20 Uhr oder jederzeit über Anrufbeantworter erreichbar, Email: no-go@tolerave.de

(Dieser Artikel ist bereits im Dresdner Kulturmagazin erschienen.)


Beliebte Posts aus diesem Blog

Abends in der Huschhalle

Kein Skandal im Sperrbezirk

»Man muss Anfängen wehren, auch wenn diese aus einer vermeintlich richtigen Richtung kommen«