Ende der Meinungsfreiheit? Wie das Aus von Steimles Welt beim MDR zu bewerten ist

Ende der Meinungsfreiheit?
Wie das Aus von „Steimles Welt“ beim MDR zu bewerten ist

Der MDR hat sich nach eineinhalbjährigen Streitereien und Provokationen nun von Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle getrennt. Seine Sendung „Steimles Welt“ wird abgesetzt, der MDR wird ihn in Zukunft nicht mehr als freien Mitarbeiter engagieren. Das gab der öffentlich-rechtliche Sender am 4. Dezember bekannt. Wie zu erwarten war, hat seine „Entlassung“ (eigentlich ist der Begriff falsch, denn Steimle hatte keine Festanstellung) unter Steimle-Fans eine Welle der Empörung in den sozialen Medien ausgelöst.

Dieses Bild stammt von Wikimedia Commons und zeigt Uwe Steimle auf der AMI Auto Mobil International 2010 in Leipzig.

Einschnitt in die Meinungsfreiheit? Zensur? 

Auf seiner Facebook-Fanseite stehen etwa Kommentare wie: „Das ist DDR Update 11.0. Wie war das damals mit Veronika Fischer, Manfred Krug und anderen? Das ist Zensur“ oder: „Ich habe Sendungen des MDR immer gern gesehen, schade, dass es auch in Sachsen keine Demokratie mehr gibt.“ Auch ein Foto von Steimle wurde tausendfach geteilt, unter dem steht: „Teile dieses Bild, wenn auch DU der Meinung bist, dass das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ist.“ 

Aber ist die „Entlassung“ aus dem öffentlich-rechtlichen Sender mit einem Einschnitt in die Meinungsfreiheit oder mit Zensur zu vergleichen? Für Uwe Steimle selbst ist die Antwort eindeutig: „Ich wurde entfernt, das ist eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades!“, sagte er TAG24. „Eine Demokratie, die der freien Meinungsäußerung keinen Raum lässt, muss sich fragen lassen, ob sie noch eine Demokratie ist.“ 

Sendungen ungeschnitten und unzensiert 

Doch inwieweit hat ihn die Redaktionsleitung des MDR zensiert? MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi sagte am 5.12.2019 bei MDR Sachsen – Das Sachsenradio: „Wir haben mit seiner Sendung den besten Beweis geliefert, dass wir Meinungsfreiheit gewährleisten und Vielfalt zulassen. In seinen Sendungen ist nie irgendetwas zensiert oder weggeschnitten worden. Es ist alles so gelaufen, wie er das auch wollte.“ 

Bei der Trennung ging es laut MDR „darum, wie er sich über das eigene Haus geäußert hat“ und nicht um seine Meinungsäußerungen. Steimle sieht laut TAG24 jedoch den wahren Grund der Trennung in einer Verschwörung des Senders gegen ihn: „Ich möchte wissen, welche Kräfte da wirken“, sagte er und spielte damit auf seine konservative Meinung an, die angeblich zu unbequem für den MDR sei. Auch seine Fans vermuten den wahren Grund in den oberen Riegen der Bundesregierung. Das System hätte sich einem Andersdenkenden entledigt, der als einziger die Wahrheit ausgesprochen hätte. 

Satire oder Verschwörungstheorie? 

Schließlich hat sich Steimle in den letzten Jahren bei Kabarettauftritten, in seiner Sendung „Steimles Welt“ und in seiner Freizeit einiges geleistet. Unter anderem bediente er Ressentiments gegen Flüchtlinge und vertrat Thesen, die an das Gedankengut von Reichsbürgern erinnerten. Im Interview mit der Jungen Freiheit behauptete er: „Die Wahrheit ist eben, dass wir keine eigene Politik haben, weil wir ein besetztes Land sind.“ Mit Aussagen wie dieser entwickelte er sich zu einem prominenten Fürsprecher der Pegida-Bewegung, wird von rechten Gruppen und Verschwörungstheoretikern bejubelt und gefeiert. 

Dieses Sharepic wird aktuell in Sozialen Netzwerken verbreitet.

Doch der MDR hat ihn dafür nicht kritisiert oder sich gegen ihn positioniert. Selbst als es zu dem verhängnisvollen Post von CDU-Politiker Jörg Schlechte ging, auf dem Steimle mit seinem selbstgemachten T-Shirt zu sehen war, auf dem „Kraft durch Freunde“ stand. Auf die Frage des Tagesspiegels, wie denn der MDR den Spruch bewerte, hieß es aus der Pressestelle nur: „Wir bewerten das, was Herr Steimle in unserem Programm tut.“ Auf Twitter schrieb die Pressestelle zudem: „Uwe Steimle ist Kabarettist und Satiriker. In den Sendungen, die der MDR mit ihm als freiem Mitarbeiter produziert, achten wir darauf, dass seine Satire auch als solche erkennbar ist.“

Kündigungsgrund: Verstoß gegen Mitarbeiterkodex 

Die Trennung sei laut MDR einzig und allein auf die Aussagen zurückzuführen, die er gegen seinen eigenen Arbeitgeber getroffen hat. Mehrmals hatte er dem Sender mangelnde Staatsferne vorgeworfen, in dem bereits erwähnten Interview mit der Jungen Freiheit sagte er gar: „Inzwischen weiß jeder, daß etwa Atlantikbrücke-Mitglied Claus Kleber der Karl-Eduard von Schnitzler [Moderator der DDR-Agitprop-Sendung „Der Schwarze Kanal“] der BRD ist, zusammen mit seiner Marionetta Slomka.“ Das ist weder Satire noch harmlose Kritik, sondern eine beleidigende Unterstellung, die eher an Verschwörungstheorien erinnert als an eine begründete Meinung, die mit Fakten unterlegt wird. 

Dementsprechend hat der MDR diese Aussage auch in seiner offiziellen Pressemitteilung als Kündigungsgrund genannt: „Durch diese Aussage hat Uwe Steimle die Glaubwürdigkeit des MDR und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschädigt und gegen den Mitarbeiterkodex des MDR verstoßen.“ Der MDR ist nun mal ein Arbeitgeber wie jeder andere auch. Rufschädigung und Beleidigung des Arbeitgebers ist laut BGB ein berechtigter Kündigungsgrund. Theoretisch könnte der MDR sogar Schadensersatz und Schmerzensgeld einklagen. Mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit hat das rein gar nichts zu tun. 

Meinung trotz fehlender Meinungsfreiheit? 

Steimles Argumentation ist zudem völlig absurd. Er verbreitet über öffentlich-rechtliche Sender und zahlreiche andere Medien seine Meinung, ohne dass er zensiert wird oder rechtliche Strafen zu befürchten hätte, und behauptet anschließend in denselben Medien, dass er in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt würde. Seine Fans protestierten vor dem MDR-Gebäude in Dresden, konnten also ihre Meinung unbehelligt kundtun. Es klingt wie die Schlagzeile eines Postillon-Artikels, doch weder Steimle noch seine Fans scheinen sich an der offensichtlichen Absurdität ihrer Handlungen zu stören.

Kritik ist nicht Einschränkung der Meinungsfreiheit 

In Wirklichkeit reagieren sie nur beleidigt auf die Tatsache, dass sie von zahlreichen Seiten für ihre Meinung kritisiert werden. Aber darin zeigt sich keine Spur von Einschränkung, vielmehr zeugt die Kritik von der Lebendigkeit des öffentlichen Diskurses. Gerade in diesen Auseinandersetzungen bestätigt sich eigentlich die gegebene Meinungsfreiheit, denn wenn der öffentliche Widerspruch ausbleiben würde, wäre das der Beweis für eine gleichgeschaltete Gesellschaft. 

Nun kann man dem MDR natürlich unterstellen – so wie es in den Kommentarspalten im Netz auch passiert und irrtümlicherweise auch von einigen Journalisten dargestellt wird – dass der Sender diesen Grund nur vorzieht, um von der „Wahrheit“ abzulenken. Doch warum sollte der MDR das tun? Satiriker und Kabarettisten sind dazu da, Politik und Medien kritisch zu hinterfragen und eben den gesellschaftlichen Diskurs am Leben zu erhalten. Provokationen haben in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion und sind einer der Gründe, weshalb Steimle trotz zahlreicher Kritiken und Zuschauerbeschwerden überhaupt so lange beim MDR bleiben durfte. 

Medien- und Politikkritik gehören dazu 

Steimle und Fans tun aber so, als würden die Sendeanstalten, als würden andere Satiriker nur dem linken Mainstream nachschwimmen und die wirklich kritischen Stimmen unterdrücken. Sie vergessen dabei, dass die Politik für alle Kabarettisten und Journalisten immer schon der Lieblingsfeind war. Und auch Medienkritik darf in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten thematisiert werden. 

In Folge 36 der Satiresendung „Die Anstalt“ wird zum Beispiel sehr gut aufgezeigt, wie verschiedene Politiker versuchen, Einfluss auf die Medien zu nehmen, auch auf die öffentlich-rechtlichen Sender, bei dem „Die Anstalt“ ja auch produziert und ausgestrahlt wird. Als weiteres Beispiel wäre etwa das Online-Format „Altpapier“ des MDR zu nennen. Auch hier darf regelmäßig der eigene Arbeitgeber kritisiert werden. Der Unterschied ist aber, dass die Kritik hier viel fundierter und gut recherchiert dargeboten wird und nicht mit Verleumdung, Unterstellung und übler Nachrede auffahren muss.

Bespitzelung? Zersetzung? Erziehungsanstalt?

Steimle hingegen driftet gern in Verschwörungsdenken ab, zieht immer wieder Parallelen zwischen der aktuellen Regierung und der Unterdrückung im DDR-Regime, insbesondere was die Meinungsfreiheit angeht. Doch welchen Anlass hat er eigentlich dazu? Seine hanebüchenen Unterstellungen unterlegt er selten mit konkreten Beispielen, stattdessen scheint der Erfinder des Wortes „Ostalgie“ in seinem Denken immer noch im ehemaligen Totalitarismus zu stecken, in der es tatsächlich einen „Staatsfunk“ gab, wo Andersdenkende systematisch bespitzelt, zersetzt und aufgrund ihrer Meinung in Gefängnisse und Erziehungsanstalten gesperrt wurden. Dass Steimle jahrelang für einen Sender arbeitete, der wirtschaftlich und politisch unabhängig organisiert ist, scheint er noch nicht begriffen zu haben. Rechtliche Konsequenzen hat er jedoch nicht zu erwarten, er wird weder überwacht, noch wird sein Ruf öffentlich geschädigt. Er darf tun und sagen, was er will, nur eben nicht mehr beim MDR.

(Dieser Artikel ist bereits bei Flurfunk erschienen.)


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