Heilsame Kunstwerke

Heilsame Kunstwerke
Iza Tarasewicz im Kunsthaus Dresden

Fragil wirkende Gebilde hängen von der Decke des Dresdner Kunsthauses. Manche von ihnen verstecken sich in schwer zugänglichen Ecken und Nischen des Gebäudekomplexes. Und von einigen gehen außerirdisch wirkende schlauchartige Strukturen aus, die sich durch die Gänge ranken.

Knapp über dem Boden schwebend strahlen die Objekte von Iza Tarasewicz eine Leichtigkeit aus, die aber nur Schein ist. Denn ihre Installationen unter dem Titel „The Means, The Milieu“ bestehen aus massiven Metallstäben und -röhren, in deren Mitte quaderförmige Gefäße hängen, aus denen Pilzkulturen wachsen. Die schlauchartigen Gebilde bestehen aus Hanfseilen, die mit Kautschuk überzogen sind.

Mit ihrer Installation „The Means, The Milieu“ geht die polnische Künstlerin Iza Tarasewicz dem Zusammenhang zwischen Wissen, Gesundheit und Pilzkulturen auf die Spur.

Ein Markenzeichen der Künstlerin Iza Tarasewicz ist die Verbindung aus organischen und unorganischen Materialien, Fundstücken aus der Natur und gefertigten Objekten. „Meine Installationen leben“, sagt sie im persönlichen Gespräch. „Die Pilze befinden sich in einem Gefäß mit Humus und wachsen im Laufe der Ausstellung weiter.“

In „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, der aktuellen Ausstellung im Dresdner Kunsthaus, werden ihre Arbeiten noch bis zum 4. Oktober zu sehen sein. Sie ist eine von zehn Künstler*innen, die sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur beschäftigen. Vom 1. bis 5. Juli konnte man Tarasewicz beim Aufbau ihrer Installationen beobachten. Am letzten Tag gab sie ein Matinee-Gespräch und präsentierte ihre Arbeit.


Tarasewicz erklärt, dass sie sich bereits in ihren früheren Werken mit natürlichen Materialien auseinandergesetzt hat. Bei ihr hätte das vor allem biografische Ursachen. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Ort im Nordosten von Polen, genauer in Kolonia Koplany in der Nähe von Białystok. Dort wohnt und arbeitet sie immer noch, zeitweise auch in München. „Ich versuche ökologisch und nachhaltig zu arbeiten. Wir sind alle mit der Natur verbunden. Wir vergessen das oft.“ Der Umgang mit natürlichen Materialien sei für sie daher von besonderer Wichtigkeit. Diese stammten meist aus ihrer Heimat und ihrer unmittelbaren Umgebung. Sie sind ihr seit Kindheit und Jugend bestens vertraut, meist haben sie auch Bezug zu ihren Eltern und Großeltern. „Ich arbeite oft zusammen mit meiner Familie an den Installationen.“ Das sei für sie auch deshalb wichtig, weil künstlerisches Schaffen für sie auch immer eine ganzheitliche, lebensweltliche Erfahrung sei. Familie halte uns unsere natürliche Abstammung vor Augen.

Tarasewicz verbindet naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit künstlerischen und kulturellen Elementen. In der gezeigten Installation „The Means, The Milieu“ hat sie sich vor allem intensiv mit Pilzen auseinandergesetzt. „Pilze sind sowohl Pflanzen als auch Tiere.“ Das sei faszinierend, auch weil das, was wir als „Pilze“ bezeichnen, nur deren Fruchtkörper sind. Pilze sind unterirdische Geflechte, die in Symbiose mit anderen Pflanzen, vor allem mit Bäumen stehen. Diese unterirdischen Netzwerke, die von Forschern auch als „Wood Wide Web“ bezeichnet werden, sind regelrechte Datenautobahnen. Über sie werden nicht nur Informationen sondern auch Nährstoffe ausgetauscht. Daher seien sie essentiell für die Ausbreitung des Lebens auf der Erde.


Für ihre Arbeit benutzt Tarasewicz den Reishi-Pilz, der vor allem in der Traditionellen Chinesischen Medizin Verwendung findet. Der Heilpilz wächst im Laufe der Ausstellung und wir anschließend an die Galeristen verschenkt.

Tarasewicz zieht daher auch Analogien zu menschlichen Verhaltensweisen. „Wissen basiert auf Netzwerken“, sagt sie. Begrifflichkeiten stehen in gegenseitigem Zusammenhang. Erst durch ihre Stellung im Netzwerk werde ihnen Bedeutung zugeschrieben. Sowohl technische Wissensnetzwerke als auch die menschliche Gesellschaft und das Nervensystem sei auf diesen natürlichen Zusammenhängen aufgebaut. In ihren Installationen wird diese Verbindung durch hexagonale Strukturen verdeutlicht, die an biologische Zellen erinnern sollen. Zudem sind sie wie chemische Bausteine aus modularen Elementen zusammengesetzt. Sie können also in verschiedenen Varianten aufgebaut werden, können sich verändern, mutieren. Ihre genaue Ausgestaltung werde auch organisch an den Raum angepasst.

Den Pilz, den sie für ihre Arbeit wählte, hat zudem eine weitere symbolische Bedeutung. Ganoderma Lucidum, der Glänzende Lackporling, wohl besser bekannt als Reishi-Pilz gilt seit Jahrtausenden als eines der wichtigsten Heilmittel in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Er wird als wahres Allheilmittel bei einer Vielzahl von Leiden verwendet. Tarasewicz wolle durch ihre Arbeit auch auf die Heilkräfte dieses Pilzes aufmerksam machen, der in der westlichen Medizin kaum eine Bedeutung spiele, obwohl er überall auf der Welt beheimatet ist.

„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ 20. Juni bis 4. Oktober. Kunsthaus Dresden. Städtische Galerie für Gegenwartskunst. Öffnungszeiten Di-Do 14-19 Uhr, Fr-So 11-19 Uhr

(Dieser Artikel ist für die Dresdner Neuesten Nachrichten entstanden.)

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