Mit Sisyphosarbeit gegen die Coronakrise

Mit Sisyphosarbeit gegen die Coronakrise
Dominic Kießling baut riesige Kugel in der Dresdner Heide

In »Der Mythos des Sisyphos« beschreibt der französische Philosoph Albert Camus ein existenzielles Problem, das in der Coronakrise noch einmal eine ganze neue Dimension bekommen hat. Camus geht davon aus, dass das Leben absurd ist. Einen Sinn des Lebens scheint es ganz offensichtlich nicht zu geben. Warum aber versuchen wir trotzdem unserem Dasein eine Bedeutung anzuhängen? Der Sisyphos, eine Figur aus der griechischen Mythologie, ist für ihn Sinnbild dieser Absurdität. Sisyphos wurde dazu verdammt, einen Stein auf ewig einen Berg hinaufzurollen. Oben angekommen, rollt der Fels wieder zurück und das Spiel geht von Neuem los.


Dem Dresdner Künstler Dominic Kießling gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf als er über einen Monat lang mehrmals in der Woche in die Dresdner Heide gefahren ist, um eine etwa zwei Meter große Kugel aus ineinander verkeilten Hölzern zu erschaffen. Seine Skulptur trägt dementsprechend auch den Namen der griechischen Sagengestalt. Die Stecktechnik, die die massive Kugel im Innersten zusammenhält, hat Kießling selbst entwickelt. Wie auch bei anderen Arbeiten hat er sich dabei von der Geometrie der Natur inspirieren lassen. Die besondere Herausforderung an »Sisyphos« aber war, so Kießling, das Werk in der Natur und aus der Natur heraus entstehen zu lassen.

Der erste Impuls, die Arbeit zu beginnen, sei es gewesen, endlich mal wieder eine Ausstellung zu machen. »Es ist halt etwas völlig anderes, wenn man Kunst nur auf Instagram postet, aber kein Publikum hat, das sich selbstständig um die Objekte herumbewegen und mit ihnen interagieren kann. Kunst muss eben die Augen treffen, erst dann wird sie wirklich gewürdigt.« Im Laufe der Coronakrise wurden zahlreiche Ausstellungen abgesagt, bei denen er seine Arbeiten hätte präsentieren können.


»Als ich nach Dresden zurückgekehrt bin, wollte ich etwas Bleibendes schaffen, nachdem ich jahrelang flüchtige Dinge produziert hatte.« Mit flüchtig meint Kießling in erster Linie Videoarbeiten. Nach seinem Industriedesign-Studium in Dresden arbeitete er neun Jahre bei dem Design Studio Pfadfinderei in Berlin, hat dort für Musiker wie Modeselektor, Moderat, Bonaparte oder Beatsteaks Videoanimationen produziert und Bühnenshows gefahren. Als Künstler wollte er dann vor allem mit physisch existierenden Materialien arbeiten; analoge Techniken auch mit digitalen mischen.

Neben Video-, Licht- und Rauminstallationen war Kießling in den letzten Jahren vorrangig als Bildhauer aktiv. Dabei benutzte er mitunter recht ungewöhnliche Materialien. In seinem Atelier auf der Rudolf-Leonhard-Straße 19 sind eine ganze Reihe von Skulpturen zu finden, die er am Rechner entworfen und mit dem 3D-Drucker hergestellt hat. Daneben finden sich abstrakte Bilder und Objekte, die er aus Plastikstrohhalmen anfertigte.

»Der Witz war eben, aus einem Wegwerfprodukt etwas Hochwertiges und Bleibendes herzustellen. Ich wurde auch dafür kritisiert, weil ich damit ja angeblich diese Industrie unterstützen würde. Letztlich ist aber das Gegenteil der Fall, da ich die Halme eben nicht wegwerfe«, erzählt Kießling. »Mich hat dafür aber jemand auf die Kunststoffschmiede in Löbtau aufmerksam gemacht.« Seitdem experimentiert Kießling auch viel mit recyceltem Plastik. »Das Spannende dabei ist, dass in dem Material physikalische Prozesse stattfinden, die ich nicht kontrollieren kann. Das ist etwas, das sich durch all meine Arbeiten zieht. Naturkräfte, Wissenschaft und geometrische Formen sind die Grundlage, auf denen meine Kunst aufbaut.«

Weitere Informationen unter:

(Der Text ist für das Dresdner Kulturmagazin entstanden.)

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